: Berliner Flughafen in der Heide
Einen Großflughafen in Sachsen-Anhalt wollen die Grünen nicht. Das Raumordnungsverfahren führen sie trotzdem durch, denn der Airport wurde zum Wahlkampfthema ■ Von Jürgen Voges
Auf den halbwegs weltläufigen Namen „Berlin International bei Stendal“ hat die Verkehrsplanungsgesellschaft Airail AG das Flughafenprojekt getauft, das sie seit gut drei Jahren mit Blick auf eventuelle amerikanische Großinvestoren voranzutreiben sucht. In Sachsen-Anhalt, wo die Pläne der Berliner Airail südlich von Stendal zwischen den Dörfern Dahrensted und Wittenmoor einmal wahr werden sollen, wird der Großairport bisher schlicht Altmark-Flughafen genannt.
Mit den Flughafenplänen, für das es nach Angaben von Airail zwar Interessenten, aber keineswegs bereits die vielbeschworenen Großinvestoren gibt, will sich am kommenden Dienstag zum zweiten Mal das sachsen-anhaltinische Landeskabinett befassen. Auf der Tagesordnung steht auf Vorschlag der grünen Umwelt- und Raumordnungsministerin Heidrun Heidecke die Einleitung des Raumordnungsverfahrens für den Großflughafen, das Airail beantragt hat. Heidecke, die wie ihre Partei den Großflughafen eigentlich ablehnt, will die Kabinettsrunde über den endgültigen Einstieg in dieses erste Genehmigungsverfahren für das ungeliebte Großprojekt unterstreichen. Das Regierungspräsidium Magdeburg, das unter Aufsicht von Raumordnungsministerin Heidecke das Verfahren durchführt, soll bei der Einleitung lediglich die Airail noch darauf hinweisen, daß die von ihr vorgelegten Unterlagen noch nicht ausreichen und daß dies zu Problemen und Verzögerungen führen kann.
Der Landesdelegiertenrat der sachsen-anhaltinischen Grünen hatte noch vor einem Monat den Altmark-Flughafen als „ökologisch nicht verantwortbar“ und „unwirtschaftlich“ kritisiert. Auf Druck von Heidecke, die sogar das Ende des rot-grünen Bündnisses in Magdeburg beschwor, hat das Raumordnungsverfahren aber gleichzeitig als „politisch unausweichlich“ bezeichnet. Selbst exponierte Gegner des Flughafens, zu denen neben einigen Bewohnern der Altmark auch Umweltschutzorganisationen wie der BUND zählen, scheinen die Entscheidung der Ministerin nolens volens zu akzeptieren. Der Landesgeschäftsführer des BUND, unter anderem Sprecher des „Bündnis gegen den Großflughafen Altmark“, ist sich zu 95 Prozent sicher, daß in dem Raumordnungsverfahren weder die wirtschaftliche Notwendigkeit des Flughafens noch dessen Umweltverträglichkeit nachgewiesen werden können. „Mit dem Thema machen CDU wie SPD Wahlkampf und treiben dabei Schindluder mit den Hoffnungen der Menschen auf Arbeitsplätze“, sagt BUND-Geschäftsführer Oliver Wendenkampf.
Ökologische Probleme sieht er nicht so sehr durch die 3.100 Hektar große Flughafenfläche, die abgesehen von der 350-Einwohner-Gemeinde Buchholz zum größten Teil aus Ackerland besteht. Die Einflugschneise des Flughafens werde jedoch über das Elbtal führen, an dem entlang viele Zugvogelarten in Nord-Süd-Richtung fliegen. Dabei droht laut Wendenkampf der Flugverkehr nicht nur die Vögel zu vertreiben. Die Tiere selbst könnten zum Sicherheitsproblem werden während der Starts und Landungen, die nach Angaben von Airail beim vollausgebauten Großflughafen rund um die Uhr im Drei-Minuten- Takt erfolgen sollen.
Das Flughafenprojekt hatte ausgerechnet die damalige CDU- Landesregierung von Sachsen-Anhalt im Mai 1994 schon einmal zu den Akten gelegt. Von den Christdemokraten, die jetzt mit dem Arbeitsplatzargument gegen Rot- Grün im Wahlkampf Front machen und auf die Planung des Flughafens drängen, hatten die Realisierungschancen für den Altmark- Airport als zu gering angesehen und gar nicht erst ein Raumordnungsverfahren eröffnet.
Ein Investor für das Großprojekt hat die Airail nach eigenen Angaben noch nicht. Zwar betont die Gesellschaft, daß sie bei ihrem Antrag von der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs und auch vom weltweit tätigen US-Baukonzern Bechtel unterstützt wird. Doch tatsächliche Realisierungschancen für ein Luftkreuz in der Altmark sieht auch der Vorstandsvorsitzende von Airail, Malte Maurer, nur, wenn der Ausbau des Berliner Flughafens Schönefeld nicht wie geplant zustande kommt. Bei einem Ausbau von Schönefeld würde der Altmark-Flughafen auf keinen Fall gebaut, sagt Maurer. Allerdings sei dieser Ausbau noch nicht genehmigt, und gegen einen Planfeststellungsbeschluß seien Klagen zu erwarten. „Wenn ein Berliner Gericht gegen Schönefeld entscheidet, dann hat aus unserer Sicht der Flughafen in der Altmark gute Zukunftschancen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen