: „Die Dimensionen damals nicht erkannt“
■ PUA-Polizei: Jens Herrmann, Ex-Chef der Bereitschaftspolizei, sagte gestern aus
Die Abgeordneten des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Polizei gingen gestern mit dem Ex-Chef der Bereitschaftspolizei, Jens Herrmann, hart ins Gericht. Mehrfach versuchten PUA-Mitglieder ihm zu unterstellen, er habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe, die den Polizeiskandal auslösten, nicht gehandelt. Tatsächlich hatte Herrmann durch einen unkonventionellen Schritt den Stein ins Rollen gebracht.
Herrmann war am 26. Juni 1993 von Holger Jänicke-Petersen, Konflikttrainer an der Landespolizeischule, über „Umgangs- und Arbeitsweisen“ auf einigen Revieren in einem vertraulichen Gespräch in Kenntnis gesetzt worden. Jänicke-Petersen habe ihn, Herrmann, aufgesucht, weil er Vertrauen zu ihm hatte. Der Konflikttrainer habe aber, so Herrmann, „keine konkreten Sachverhalte geschildert“. Beide seien zu dem Ergebnis gekommen, den Sozialwissenschaftlichen Mitarbeiter in der Polizeiführung, Rüdiger Bredthauer, einzuschalten, der keinem Strafverfolgungszwang unterliege. Herrmann: „Ich habe noch während des Gesprächs Bredthauer angerufen. Ich habe den Sachverhalt geschildert, und er hat geantwortet: ,Ok. Du bist raus.'“
Damit habe Herrmann einen Weg gewählt, den Corpsgeist innerhalb der Polizei zu brechen, der immer wieder auftauchte, wenn Vorgesetzte Mißstände aufdecken wollten, die dem Strafverfolgungszwang unterliegen. Herrmann: „Ich habe keine weiteren Reaktionsmöglichkeiten gesehen. Ich kann weder körperlich noch verbal einen Konflikttrainer zwingen, Aussagen zu machen, die er nicht machen will.“ Denn: Die Konfliktseminare waren eigens nach dem Hamburger Kessel von 1986 eingerichtet worden, um Polizisten die Möglichkeit zu geben, über Mißstände und Übergriffe offen zu reden, ohne gleich der Strafverfolgung ausgesetzt zu sein.
Diese Handlungsweise Herrmanns wollten die PUA-Abgeordneten gestern allerdings nicht nachvollziehen. Der PUA-Vorsitzende Ulrich Karpen (CDU): „Warum haben Sie die Sache nicht weiter verfolgt?“ Herrmann: „Nach dem Bredthauer-Telefonat war für mich die Sache beendet gewesen.“ Denn das Notwendigste sei in Gang gesetzt worden. „Für mich“, so herrmann, „hatte das Gespräch mit Jänicke-Petersen einen Sinn gemacht. Über die jetzige Dimension war ich mir damals nicht bewußt.“
Polizei-Chef Wolfgang Sielaff gab gestern im PUA bekannt, daß man künftig mehr externe Konflikttrainer einsetzen werde, um Konflikte in den Seminaren abzubauen. Seine Vernehmung dauerte bei Redaktionsschluß noch an.
Kai von Appen
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