: Zusatz-Parlament fürs Umland
■ Grüne entwickeln Konzept für die Metropolregion Hamburg: City-Bahn, Regionalparlament und weniger Eigenheime gefordert Von Marco Carini
Hamburg wächst – aber wie? Mehr Verkehr, ungezügelter Flächenverbrauch und immer mehr Natur-Vernichtung sind für die Grünen die Schattenseiten dieser Entwicklung. Auf ihrem dritten Umlandkongreß entwickelten VertreterInnen der Öko-Partei aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen am Samstag in Reinbek Perspektiven für eine „vernünftige Entwicklung der Metropolregion Hamburg“. Ziel: Statt den „ausufernden Moloch“ Hamburg wie ein Krebsgeschwür wuchern zu lassen, müßten „der zukünftige Flächenverbrauch minimiert“ und die „ökologischen Folgeprobleme begrenzt“ werden.
Wichtigste Forderung: Die drei Millionen Menschen umfassende Metropolregion braucht ein neues Regionalparlament. „Das zentralisierte Hamburg diktiert den Umland-Kommunen seine Politik“, klagt der grüne Bundestagsabgeordnete Rainder Steenblock aus Elmshorn: „Statt länderübergreifender Planung regieren regionale Egoismen.“ Krista Sager, Sprecherin der Bundesgrünen: „Wir brauchen eine Regionalisierung und Demokratisierung der Planung, an der auch Hamburgs Außenbezirke und die Umland-Kreise beteiligt sind“.
Deshalb fordern die Nord-Grünen ein aus etwa 100 Abgeordneten bestehendes Regionalparlament, das je zur Hälfte mit Hamburger ParlamentarierInnen und PolitikerInnen aus den Umlandkreisen bestückt sein soll. Das Gremium sollte mit umfassenden Planungskompetenzen und eigenen Finanzmitteln ausgestattet sein. Steenblock: „Ein Drittel der Gewerbesteuereinnahmen – jährlich über eine Milliarde Mark – wäre angemessen.“
Siedlungs- und Gewerbeentwicklung, ein gemeinsames (öffentliches Nah-)Verkehrskonzept und die gemeinsame Abfallentsorgung heißen die Themenkomplexe, für die das neue Parlament federführend verantwortlich wäre. Ein solches Gremium, so Steenblock, sei „kein utopisches Luftschloß“. In der Region Stuttgart existiert eine solche Polit-Versammlung mit weitreichenden Kompetenzen bereits.
Ein weiteres Ergebnis des Umlandkongresses: Die Erarbeitung zentraler Eckpfeiler in den Bereichen Wohnen, Verkehr und Gewerbe. Um einen ungebremsten Flächenfraß durch immer neue Wohnungsbauprojekte zu stoppen, fordern die Bündnis-Grünen eine Konzentration der Wohnungspolitik auf Nachverdichtung und den sozialen Geschoß-Wohnungsbau. Ungenutzte Baulücken müßten besteuert und der Anreiz zum Einzelhausbau vermindert werden. Durch unbürokratische Wohnungstauschprogramme der großen Wohnungsbaugesellschaften könnte der vorhandene Wohnraum effektiver genutzt werden: Wer – etwa nach der Trennung vom Partner oder dem Auszug des Nachwuchses – in eine kleinere Wohnung will, sollte nicht durch höhere Mieten abgeschreckt werden.
Stichwort Gewerbe: Statt Betriebe aus Steuergründen aus dem Nachbarland abzuwerben und mit großen Flächen zu locken, sollten alte Standorte erhalten bleiben. Dazu nötig: Ein Informationssystem zwischen Hamburg und Umland. Der schleswig-holsteinische Grüne Karl Hentschel: „Wenn ein Betrieb aus Altona nach Stormarn umziehen will, weil er sich beengt fühlt, sollten erst die Entwick-lungschancen am bisherigen Standort genau geprüft werden.“
Im Verkehrsbereich fordern die Grünen statt neuer Autobahnen vor allem ein gemeinsames öffentliches Nahverkehrskonzept mit einheitlichem Tarifsystem, mehr Busquerverbindungen im Umland und einer City-Bahn. Hamburgs Oberverkehrsgrüner Martin Schmidt: „Um die Pendlerströme einzudämmen, brauchen wir City-Bahnen, die im Umland jede Milchkanne aufsammeln und dann in einem Rutsch zum Hauptbahnhof oder nach Altona durchbrausen“.
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