Revolte gegen die Wirklichkeit

„Wer sich anpaßt, hört auf, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Er wird zu einem Sklaven mit Leib und Seele. Was auch geschehen mag, vergeßt eines nie: Paßt Euch nicht an! Revoltiert gegen die Wirklichkeit!“ Kämpferische Worte von Mordechai Anielewicz, dem Kommandeur des Warschauer Ghetto-Aufstandes. Worte, die den Titel des Dokumentarfilms bilden, der im März in Hamburg Premiere hatte und nun nochmals im B-Movie gezeigt wird: Revolte gegen die Wirklichkeit – Mordechai Anielewicz und der Aufstand im Warschauer Ghetto.

Die Fakten sind bekannt: Anielewicz war Befehlshaber jener wenigen hundert junger jüdischer Männer und Frauen, die im April 1943 gegen die Auflösung des Ghettos und Deportation seiner Insassen mit Waffengewalt den deutschen Bewachern Widerstand leisteten. Wenngleich die Aufständischen, schlecht bewaffnet und von der Außenwelt fast völlig isoliert, keine militärische Chance hatten, dauerten die Kämpfe gegen die mit Panzern, Artillerie und Flammenwerfern vorrückenden SS-Einheiten fast einen Monat. Systematisch, Haus für Haus, wurde das Ghetto liquidiert. Anielewicz starb am 8. Mai 1943 im Bunker in der Milastraße 18, in den er sich mit zahlreichen Kämpfern zurückgezogen hatte. Nur wenigen gelang es, durch die Kanalisation zu fliehen. Stolz meldete der SS-Brigadeführer Stroop am 16. Mai: „Das ehemalige jüdische Wohnviertel Warschau besteht nicht mehr.“

Wieso nahmen einige wenige Juden den Kampf gegen die übermächtigen Deutschen auf? Dieser Frage ging der 43jährige Hamburger Regisseur Peter Robert nach. Recherchen führten nach Polen und Israel; durch Zusammenarbeit mit einem Mitarbeiter von Yad Vashem gelang es ihm, 14 Interviewpartner ausfindig zu machen. Nach anfänglicher Zurückhaltung gegenüber dem nichtjüdischen Deutschen kamen Gespräche mit ehemaligen Mitgliedern der Jüdischen Kampforganisation oder Jugendfreunden von Mordechai Anielewicz zustande. In ihren Erinnerungen bündeln sich die Haltungen der Jugendlichen, die den Aufstand organisiert und durchgeführt haben. Der 80minütige Film, eine Montage aus Dokumentaraufnahmen, Spielfilmausschnitten und Interviews, zeichnet nicht Bilder von mythischen Helden. In nüchternen Sätzen erzählen die Überlebenden des Aufstandes von den Motiven für ihre gemeinsame Revolte, deren Kennzeichen Solidarität, Entschlossenheit und die Bewahrung der Menschenwürde waren.

Nach Fertigstellung des Films erhielt Peter Robert Briefe von den interviewten Zeitzeuginnen. So schrieb ihm Hela Rufeisen-Schipper, die während des Aufstands als Kurierin gearbeitet hatte: „Nachdem mein Mann und die Familie, auch Freunde, den Film gesehen haben, kamen wir zu der Überzeugung, daß es gut war, daß er gedreht wurde, eben in Deutschland. Für das normale Verhältnis in der Zukunft unserer zweier Völker ist es notwendig, daß alles gesagt wird und eine Brücke gebaut wird.“

Wilfried Weinke

13. und 14. Mai, 20.30 Uhr, B-Movie, Brigittenstr. Am 14. ist der Regisseur anwesend.