piwik no script img

Das Ende vom Kiez?

■ Hamburgs Klubs droht die Abrißbirne / Die Szene gibt sich trotzdem eher cool Von Jan-Christoph Wolter

Vor einem Jahr öffnete Heinz Karmers Tanzcafé seine Pforten. Sehr schnell avancierte es zu einem Knotenpunkt der hanseatischen Klubszene, und die ist, wie man weiß, in Sachen neuer deutscher Musik bundesweit richtungsweisend. Im schäbigen Bungalow in der Budapester Straße Nummer 5 fanden schnell diejenigen ein zweites Zuhause, die beim Trinken doch lieber Noise-Rock und Sixties-Geschrammel hören mögen als Hip-Hop oder Jungle.

Den Gründern des Tanzcafés war bewußt, als sie sich zur Neubewirtung entschlossen: Über diesem einmaligen Laden würde, einem Damoklesschwert gleich, die Abrißbirne schweben. Das Dreieck zwischen Budapester- und Simon-von-Utrecht-Straße, auf dem sich das „Karmers“ und das Powerhouse befinden, gehört zum Planungsgebiet einer städtebaulichen Neugestaltung, die auf dem Gelände des gesprengten Iduna-Bürohauses ihren Anfang nehmen soll.

Im Februar sank die Asbestruine schließlich in sich zusammen, und wachsame Szenisten sahen das Ende der benachbarten Musikklubs nahe. Was auch überregional Aufmerksamkeit hervorrief, denn beide Klubs hatten sich über die Grenzen Hamburgs hinaus längst einen wohlklingenden Ruf erworben. Im Falle Powerhouse behalten die Auguren nun recht. Nach zweijähriger Existenz findet dort am 13. Mai die letzte Veranstaltung statt. Damit ist vielen Nachtklubbern die Grundlage ihres nächtlichen Treibens entzogen. „Einige Leute werden vielleicht auf HipHop-Jams die Alternative suchen müssen. Wo die Jungle-Leute bleiben, weiß ich auch nicht“, bedauert Powerhouse-Betreiber Wolf. Von Alternativen für die von ihm praktizierte Black-Music-Vielfalt kann überhaupt nicht gesprochen werden.

Auch das „Tanzcafé“ ist vom nicht mehr abzuwendenden Abriß und der nur sechswöchigen Kündigungsfrist betroffen. Aber es hat gegenüber dem Powerhouse den Vorteil, durch minimales Mobliliar große Flexibilität zu besitzen. „Wir könnten das Tanzcafé, wenn es soweit ist, innerhalb kürzester Zeit räumen, in der Frist von sechs Wochen wäre das gar kein Problem“, so Karmers-Betreiber Georg Pfaff. Durch den Sommer kommt das Tanzcafé wahrscheinlich. Anders gesprochen: In der Budapester Straße gibt man sich eher cool.

Dennoch: Die Gerüchteköche vom Kiez, durch ein allgemein zu beobachtendes Kneipensterben verunsichert, bangen nun um die Zukunft Hamburgs als größte Pop- und Jugendkultur-Reibefläche des Landes. Aber daß beispielsweise Caspers Ballroom oder das Sparr eingingen und auch jüngst die Kelleretage des Gun-Clubs zugegittert wurde, muß nicht zwangsläufig das Ende vom Kiez bedeuten, so wie wir ihn kennen.

Zwar will man auch vom florierenden Golden Pudel Klub an der Hafenstraße gehört haben, „daß die bald zumachen“. Aber dort ist die Lage ähnlich wie bei Heinz Karmers Tanzcafé: Irgendwann wird das Gebäude mit Sicherheit den Stadtplanungen zum Opfer fallen. Aber solche Entscheidungsprozesse brauchen Zeit. So kann man sich mit Elbblick in der Sicherheit wiegen, nicht vor Ende des Sommers schließen zu müssen. „Wenn auf dem Amt alles mit rechten Dingen zugeht, dann dauert es noch, bis das Karmers zumacht“, dämpft auch Georg Pfaff die Torschlußpanik auf dem Kiez.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen