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Unterirdisches an der Schlachte

■ Im neuen Bremer Bierlokal BÖR$IANER steigt der Bierpreis mit der konsumierten Menge - wie an der Börse

uerst die gute Nachricht: An der Schlachte tut sich was. Am 2. Oktober feierte der BÖR$IANER Eröffnung. Die 200 Plätze der Bierkneipe sind in einem wunderschönen, denkmalgeschützten Gewölbe untergebracht. Eigentlich eine hervorragende Möglichkeit, um es brummen zu lassen am Weserufer. Dummerweise haben sich die Betreiber des Börsianer die Keller-Lage zu sehr auf die Fahne geschrieben. Das Konzept ist genau so unterirdisch.

Die herrlichen Gewölbe und holzverkleideten Durchgänge werden durch kitschige Accessoires – wie etwa eine Neon-Gitarre oder eine Freiheitsstatue, die wider der Realität in eine amerikanische Flagge gehüllt ist – stillos verunstaltet. Laut Geschäftsführung soll aber gerade damit das Konzept unterstrichen werden. Der vordere Teil soll als Wallstreet, also das amerikanische Börsenherz, verstanden werden. Nicht überliefert ist allerdings, warum die New Yorker Broker Neon-Gitarren an den Wänden hängen haben.

Der hintere Teil des Börsianer ist eher im spießbürgerlichen Wohnzimmer-Stil gehalten. Dieser wird in gekonnter Stillosigkeit von einer riesigen Anzeigetafel verunstaltet. Das rot blinkende Ungetüm erinnert auch wieder an das gelobte Land und seine Basketball-Profiliga. Vergeblich sucht man aber nach Punkteständen. Auf der Tafel sind ganz einfach die aktuellen Getränkepreise vermerkt.

Und das geht so: Alle 222 Sekunden werden die Preise neu notiert. Dabei klettern die Kosten für die Getränke, die am meisten geordert werden. Das hat den Vorteil, das zum Beispiel Tuborg-Trinker ihren Becks-Genossen gegenüber echte Vorteile haben. Mit dem steigenden Becks-Preis sinken logischerweise die anderen Biersorten. Per Zufallsprinzip gibt's dann auch mehrmals am Abend einen Börsencrash. Dann purzeln die Kosten ein wenig in den Keller und alle seeligen Säufer ordern 222 Sekunden lang wie verrückt. Das führt aber dazu, daß die Preise in der nächsten Bestell-Periode entsprechend hoch schnellen. Dazu gibt's platte Durchsagen wie: „Börsencrash, Börsencrash“oder „Jetzt geht's looos“. Statt New Yorker Börsen-Flair Jahrmarkt-Atmosphäre. Neu ist die Idee mit den schwankenden Preisen auch nicht. In Hamburg gibt es das Dow Jones mit dem gleichen Konzept. Zufälligerweise kommen die Börsianer-Macher aus der Elbmetropole.

Wem das unterirdische Flair nicht allzusehr auf den Magen schlägt, kann in Bremens neuem Bierlokal auch essen. Die Preise sind fair. So gibt es die Ofenkartoffel „Poppey“für 8,50 Mark. Die teuersten Speisen sind mit 14,50 Mark die „SpareRibs Wallstreet“und die „ChickenWings nach Dow Jones“. Leider hat die Küche noch einige Startschwierigkeiten. Der „Thurkey Burger“der Kollegin war Dressing-durchtränkt. Der Kollege konnte sich glücklich schätzen, daß seine Pizza Quattro Stagioni – wie auf der Karte überflüssigerweise extra vermerkt – „frisch aus dem Ofen“kam. Dort ward sie aber lediglich aufgetaut, was der stellvertretende Geschäftsführer auch zerknirscht zugab: „Aber sie wird bei einem echten Pizzabäcker hergestellt.“

Wer nach schwankenden Bierpreisen und aufgetauter Pizza den Kanal voll hat, sollte sich keinesfalls den Genuß des Toilettengangs ersparen. Die Klobrillen brillieren mit eingelassenen Stacheldrähten. Die Herren der Schöpfung werden beim Pinkeln zudem mit weiteren Plattitüden gequält. Kaum steht man vor dem Becken, ertönt die Durchsage: „Was schaust Du auf den Witz an der Wand, den größten hälst Du in der Hand.“

Als Fazit läßt sich nur vermerken, daß die historische Schlachte ein solches Konzept nicht verdient hat. Die „Frauen ab 25“, auf die die Geschäftsleitung setzt, dürften von dem bißchen Neon-Glitter nicht angezogen werden. Die älteren Semester haben erst recht nichts davon. Damit taugt der Börsianer eher für den Kegel-Club-Ausflug. Jeti

P.P.S.: Zwei positive Aspekte sollen nicht verschwiegen werden. Die Bedienungen sind sehr freundlich. Und es gibt eine Behinderten-Toilette. Schade nur, daß der Eingang aus Denkmalschutzgründen nicht behindertengerecht ist. Und es gibt Hoffnungsschimmer: Die Küche will sich noch einarbeiten und es soll bald einen Mittagstisch sowie Jazz-Frühschoppen am Sonntag geben.

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