Knöllchen im Stau

Greift die Polizei zu immer trickreicheren Methoden, um das Berliner Haushaltsdefizit zu stopfen? Wer im Stau im Halteverbot steht, muß zahlen  ■ Von Alexander Eschment

Doris Kepler staunte nicht schlecht. Als sie am Dienstag abend wie gewohnt auf der Straße des 17. Juni im Stau steckte, klopfte plötzlich eine Politesse an die Scheibe ihres dunkelblauen Golfs. Nachdem die Autofahrerin die Scheibe heruntergekurbelt hatte, reichte ihr die junge Frau in blauer Uniform einen kleinen grünen Zettel mit der Aufschrift „Der Polizeipräsident in Berlin“ – ein sogenanntes Knöllchen. Die Politesse erklärte der überraschten Frau, daß sie eine Verkehrsordnungswidrigkeit verübt habe. Doris Kepler: „Als ich danach fragte, was ich falsch gemacht hätte, antwortete mir die Frau, daß ich im absoluten Halteverbot stehe und damit den Verkehr behindern würde.“ Doris Kepler konnte in dem Moment nur noch lachen. „Ich stand auf dem rechten Fahrstreifen im Stau, konnte weder vor noch zurück, und jemand drückt mir ein Knöllchen wegen Stehens im Halteverbot in die Hand“, erinnert sie sich. „Ich war in dem Moment auch so perplex, daß ich gar nicht groß darüber nachgedacht habe. Irgendwann kam mir sogar der Gedanke: Armer Senat, mußt jetzt schon so deine Schulden tilgen?“

Sie war nicht die einzige, die an diesem Abend unangenehm überrascht wurde. „Um mich herum haben auch andere Autofahrer, egal ob auf dem Mittelstreifen oder ganz links, diesen grünen Zettel bekommen“, erklärt sie. Allerdings ging sie als einzige der Sache auf den Grund. Bei der zuständigen Polizeidirektion 3 der Verkehrsüberwachung in Tiergarten konnte man ihr jedoch nicht weiterhelfen. Dort war niemand über solch einen Einsatz informiert. Zur Kontrolle schickte man aber eine Polizeistreife zum Großen Stern – von der Politesse keine Spur. Des Rätsels Lösung liegt beim Privatsender RTL. „Wir arbeiten zur Zeit an einer neuen Satiresendung“, bestätigt Pressesprecherin Sylke Zeidler die Anfrage und versucht, die Wogen zu glätten: „Das mit den Knöllchen war ein Scherz. Wir tun einfach Dinge, die nicht so unrealistisch sind, um die Reaktion bei den Leuten zu testen.“

Ende gut, alles gut: Berlin bleibt auf seinen Schulden sitzen, und Doris Kepler kann ihre filmreife Reaktion noch einmal auf der Mattscheibe erleben. Bleibt die Frage, inwieweit Polizeiuniformen und täuschend echt aussehende Knöllchen dafür mißbraucht werden dürfen. Bei der Polizei gibt man sich in dieser Frage gelassen. Detlef Kaiser, Pressesprecher: „Solange eine Anmeldung beim Referat für Öffentlichkeitsarbeit vorliegt, die Uniform keine Hoheitsmarken aufweist und ein Knöllchen ohne Unterschrift oder offiziellen Stempel verwendet wird, gibt es da keine Probleme.“