: Er kann nix dafür
Hanf gibt Nahrung, Spaß und Kleidung. Macht ihn das schon zum Büffel unter den nachwachsenden Rohstoffen? ■ Von Michaela Behrens
Sie atmen Rauch von erhitztem Hanf ein und „anschließend, entzückt, daß sie so schwitzen, stoßen sie ein Geheul aus.“ Keine Szenenbeschreibung der in Berlin zelebrierten Hanfparade, sondern eine Beobachtung, die der 484 v.Chr. geborene Schriftsteller Herodot bei den munter kiffenden Skythen machte.
„Tja“, bemerkt Freund Axel, der seine Hütte auf dem Land sonst selten verläßt, aber jetzt in Berlin weilt, um per Parade die Legalisierung seiner grünen Lieblinge zu fördern, „früher hatten sie eben 'ne Nase für gute Sachen. Apropos gut“, aus einem Geheimfach zwischen Haupthaar, Bart und Leibchen zieht er mit großer Geste einen massiven, braunen Quader und knallt ihn auf den Tisch. „Seht euch das an“, sagt er mit dem Lächeln eines Mannes, der aus eigentlich harmlosen Bestandteilen eine Tyrannosaurus gebacken hat: „Hanfbrot. Wahnsinn.“ Ja, Wahnsinn, denn was Hanf auf dem Brot zu suchen hat, bleibt auch nach der Kostprobe unklar. Die knusprigen Kügelchen passieren die Geschmacksnerven unbemerkt, alarmieren aber beim Kauen den Tastsinn, der Vergleiche mit Schneckenhäusern anstellt.
Axel beklagt, daß das Brot irgendwie nicht turnt und präsentiert ersatzweise die Ergebnisse seiner gärtnerischen Bemühungen. Wenig später herrscht am Frühstückstisch Feierabendstimmung und der allgemeine Konsens, den Kampf für die Legalisierung anderen zu überlassen.
„Hanf“, doziert Axel versonnen, „ist für mich der Büffel unter den Pflanzen. Läßt sich bloß leichter ernten.“ Ein explosiver Hustenstoß treibt ihm die Tränen in die Augen, vielleicht ist es auch echte Ergriffenheit. „Hanf gibt mir Nahrung, er gibt mir Spaß, er gibt mir Kleidung... schön, er gibt mir ziemlich teure Kleidung. Aber da kann er nix für.“
Zur gleichen Stunde und nur wenige Kilometer entfernt finden sich die grünen Helden der Hanfparade beschlagnahmt in einem Mannschaftswagen der Grünordnungshüter wieder, auf dem Weg nach... Was passiert eigentlich mit Topfpflanzen, die sich unerlaubt versammelt haben?! Werden sie demoliert, aus der Stadt geschafft und irgendwo weit draußen in einen Graben gekippt?
„Verbrannt“, vermutet eine schüchterne Nessel. Einsam steht sie am Rand der Demonstration, um darauf hinzuweisen, daß auch andere, bislang ebenfalls mißachtete Rohstoffe zur Herstellung von Kleidung und allerhand Schnickschnack taugen. Brennesseln zum Beispiel. „Find ich voll okay, daß du die Problematik zur Sprache bringst“, sagt ein Passant interessiert. „Aber turnst du auch?“ Nö, und es bleibt bei der Aussicht auf eine Zukunft mit Hanf. Die für ihn nur besser werden kann, denn in der Vergangenheit spielte der Hanfanbau hierzulande eine eher unbedeutende Rolle.
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