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Weiterwursteln wie bisher

Wie aus einer Nachricht eine gute Nachricht wird: Bonn und Berlin haben sich über die Finanzhilfe für die Hauptstadtkultur geeinigt, heißt es. Doch ob die Berliner Kulturinstitutionen nun die von ihnen angemahnte Planungssicherheit haben, ist fraglich. Ein Lagebericht  ■ Von Kolja Mensing

Bonn und Berlin, so hört man, sind sich vorerst einig geworden über die Hauptstadt-Kulturförderung. Bundesinnenminister und Regierender Bürgermeister beklatschen sich gegenseitig und sprechen von einem „wichtigen Schritt zur Sicherung und Stärkung der kulturellen Ausstrahlung“ Berlins.

Wie schön. Dabei hatte man in den letzten Monaten doch aufs kräftigste gestritten. Im August sperrte Kanthers Ministerium einen Großteil der Mittel zur Förderung der Hauptstadtkultur. Von den 60 Millionen Mark, die der Bund pro Jahr nach Berlin überweisen wollte, wurden nur zwölf ausgezahlt. In Bonn hatte man es nicht länger eingesehen, zusätzliche Fördermittel zu überweisen, die dann schlicht in den Etat des Kultursenats einflossen – und damit praktisch vom Berliner Haushaltsloch verschluckt wurden. Der Bund verurteilte daraufhin den uneinsichtigen Landes-Schüler zum Nachsitzen: Das restliche Geld gebe es nur, wenn konkrete Vorschläge über die Verwendung vorlägen.

Der Streit ist beendet, doch Grund zum Jubeln besteht noch lange nicht. Zwar wird die Restsumme jetzt freigesetzt, doch darf Radunski mit dem Geld weiterhin machen, was er will: es als Teil seiens Etats betrachten. Und damit ist eigentlich gar nichts passiert. Denn die jährlichen 60 Millionen Mark waren in den Haushaltsplanungen für dieses und nächstes Jahr eingeplant.

Wenn sie jetzt entsperrt werden, ist für die Berliner Kultur nicht mehr Geld da, sondern Radunskis Senat ist nur in der glücklichen Lage, das bereits verplante Geld nicht anderswo besorgen zu müssen.

Der Sprecher des Kultursenators formuliert das so: „An den Haushaltsansätzen wird festgehalten.“ Wie ein Erfolg klingt das nicht, eher wie eine Selbstverständlichkeit. Offensichtlich ging es bei der jüngsten Konfliktlösung beiden Seiten nur darum, ihr Gesicht zu wahren, statt sich um die Misere der Kulturfinanzierung zu kümmern.

Im Endeffekt hat man dadurch den Druck auf den Berliner Haushalt noch vergrößert: „Die Art, wie dieser vermeintliche Verhandlungserfolg in der Öffentlichkeit und auch von seiten der Landesregierung dargestellt wird, bringt uns in eine ganz fatale Lage“, erklärt Rosemarie Schauer, stellvertretende Intendantin des Deutschen Theaters: „Alle Welt denkt, wir hätten jetzt viel mehr Geld zur Verfügung und es bleibt alles beim alten.“

Das Deutsche Theater steht mit vier anderen Häusern im Mittelpunkt der Diskussion ums Extrageld aus Bonn, die auch weiterhin geführt werden wird. Zusammen mit der Deutschen Oper, der Staatsoper, dem Philharmonischen Orchester und dem Schauspielhaus wird es als „Leuchtturm“ der hiesigen Kulturlandschaft bezeichnet: als hauptstadtkompatibles Vorzeigeobjekt. Diese fünf Traditions-Spitzen möchte der Bund fördern und hier seine Finanzspritze untergebracht sehen.

Jürgen Schitthelm, Direktor der Schaubühne und Vorsitzender des Berliner Bühnenvereins, findet das „Gerede über Leuchttürme und Highlights schlichtweg idiotisch“. Es erwecke den gefährlichen Eindruck, in dieser Stadt gebe es sonst nichts mehr anzuschauen oder anzuhören: „Damit wird vor allem die Bezirkskultur fix und fertig gemacht.“

Dazu kommt, daß ein weiteres Theater zumindest finanziell auf dem besten Weg ist, in die Gruppe der Repräsentationsobjekte aufgenommen zu werden. Claus Peymann hat deutlich gemacht, daß er das leckgeschlagene Theaterschiff Berliner Ensemble (BE) nur dann in zwei Jahren übernehmen wird, wenn die Subventionen von derzeit 21 Millionen deutlich angehoben würden. Damit würde das Privattheater – das BE wird seit einigen Jahren als GmbH geführt – den öffentlich-rechtlichen Subventionsunternehmern den Rang ablaufen und genausoviel oder mehr Geld als zum Beispiel das Deutsche Theater einstecken.

Nun hat der Bund zugesichert, 1999 die Hauptstadtförderung um weitere zehn Millionen anzuheben – und die Berliner Morgenpost hat gleich keck ausgerechnet, daß die ja prima in den ansteigenden BE- Etat passen würden. Ein vorerst rein spekulatives Zahlenspiel, doch die Stimmung unter den Theatern ist nicht gut. „Wenn plötzlich ein Haus über so viel Geld verfügen kann, dann sieht das doch aus wie Selbstbedienung“, erklärt Rosemarie Schauer vom DT und befürchtet das Schlimmste: „Wenn es unter den Berliner Theatern zu einem Verteilungskampf um die immer knapperen Mittel kommt, dann geht es irgendwann nur noch darum, wer die besseren Beziehungen zum Kultursenator hat.“

In den Intendanzen und auch bei den vielen anderen kleinen und großen Kultureinrichtungen setzt man daher Hoffnungen auf den neuen Hauptstadtkulturvertrag. Der muß 1999 beschlossen werden. Jürgen Schitthelm will, daß dann für Berlin die gleichen Regelungen wie jetzt für Bonn gelten: „Wenn die Regierung ein Theater oder eine Oper gemeinsam mit dem Land Berlin unterstützt, muß das Verhältnis genau festgeschrieben werden. Damit sich der Kultursenat nicht aus der Verantwortung stehlen kann.“ Darüber, daß das Geld immer weniger wird, redet in Berlin schon niemand mehr. Statt dessen wird mit Nachdruck Planungssicherheit verlangt. Zu Recht: Daß es mit dem Verantwortungsbewußtsein der Kulturpolitik nicht so weit her ist, durfte unter anderem das BE erfahren. Der langfristige Subventionsvertrag, den Senator Radunski dem Theater versprochen hatte, kam zum Beispiel nie zustande. Daß Claus Peymann Lust auf solche Unwägbarkeiten hat, ist fraglich. Noch weiß nur er selber, ob er überhaupt nach Berlin kommt.

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