■ Scherf positiv über alles: Los geht's, Bremen!
Mit launiger Rede begrüßte Bürgermeister Henning Scherf (SPD) Sozialdemokraten, SchaustellerInnen und Gäste zum traditionellen Frühschoppen der Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen in der SPD auf dem Freimarkt. Wer klagt, so der Bürgermeister, bekommt keinen Besuch. Bremen brauche aber BesucherInnen, vor allen Dingen welche mit Geld. Nur wer nicht jammert, bekomme Besuch von den Reichen. Etwa von der Familie Daimler. Die will in den nächsten Jahren über zwei Milliarden Selbsterspartes in Bremen anlegen. Daimlers sind, so Scherf, knallharte Rechner, die schenken Bremen nichts. Nur weil Verwaltung, Politik und Gewerkschaften nicht jammerten, kämen die Daimlers überhaupt. Das müsse mal ganz deutlich gesagt werden.
Scherf strafte alle Lügen, die das Bremer Wirtschaftswachstum kleinreden wollen. Bremen habe mit 2,9 Prozent die zweithöchste Wirtschaftswachstumsrate in Deutschland (direkt nach Hamburg), jedenfalls im ersten Halbjahr 1996 verglichen mit dem 1997. Vielleicht merken es nicht alle. Etwa die Bremer Arbeitslosen. Aber auch die sollen nicht jammern, sondern sich auf dem Freimarkt mal so richtig amüsieren. Henning Scherf strahlte quasi sinnbildlich die „saubere Stadt“mit seiner ganzen Person aus. Dafür dankten die Genossen „unserem lieben Bürgermeister“.
Da mochten auch die Schausteller nicht kritteln. Im Vorfeld des Frühschoppens war die Privatisierung der Marktorganisation vom Tisch geräumt worden. Der für Märkte zuständige Innensenator Ralf Borttscheller hatte im Marktausschuß versichert: „Keine Privatisierung niemals. Keine Gebührenerhöhung vorerst“. Da konnten auch die SchaustellerInnen durchatmen und frohlocken. Das Wetter ist gut, der Umsatz bestens.
Zur Eröffnung des Freimarktes im nächsten Jahr habe Werder Bremens Manager Willi Lemke versprochen, seine Kicker nicht zeitgleich auf den Rasen, sondern zum Freimarkt zu schicken, wieder was Positives. Scherf frohlockte, er werde dann natürlich nicht in der Werder-Fan-Kurve jubeln, sondern im Hully-Gully oder im Break-Dance oder in der Krinoline. (Ist das ein Wort?)
Auch für Kleinigkeiten wie der „Pißmeile“an den Messehallen, dem halsbrecherischen Kopfsteinpflaster und der Kostenerstattung für die Benutzung der Absperrgitter für den Freimarktumzug durch die Schausteller werden Abhilfen gefunden.
Wenn einem soviel Gutes wird beschert, muß sich auch die taz, obwohl nicht offizieller Sponsor des Freimarktes, der Glückstaumelverordnung unterwerfen. Also, Mundwinkel bis zu den Ohrläppchen hochgezogen: Laßt uns nach Bremen ziehen, etwas Besseres als den Tod finden wir dort allemal. Ischa Freimaak!
Thomas Schumacher
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