Tempelhof ohne Travolta

Am Montag wollen 10.000 Scientologen durch das Brandenburger Tor marschieren. Willkommen sind sie nicht  ■ Aus Berlin Uwe Rada

Ein Kreuzzug soll es werden, zu dem Scientologen aller Länder seit Wochen schon im Internet mobilisieren – ein Kreuzzug für die „Religionsfreiheit“ und gegen die „Diskriminierung von Scientology in Deutschland“. Wo also ließe sich gen Deutschland besser wallfahren als in Berlin? Am kommenden Montag nachmittag, so hofft der deutsche Scientology-Sprecher Georg Stoffel, werden 10.000 „Mitglieder religiöser Minderheiten“ am Brandenburger Tor die Bundesregierung wegen ihrer harten Haltung gegen Scientology anklagen. Und das zur besten Sendezeit im US-Fernsehen.

Organisiert wird die Demonstration samt einer „Konferenz für Religionsfreiheit“ am Folgetag von der in diesem Frühjahr in Washington gegründeten Organisation „Freedom for Religions in Germany“ (FRG). Die FRG hatte bereits im Juli zu einem ähnlichen Marsch in Frankfurt/Main mobilisiert, zu dem aber nur 1.500 statt der erwarteten 5.000 Teilnehmer gekommen waren.

Sowohl die Frankfurter Demo als auch der „Kreuzzug“ am Montag in der Bundeshauptstadt stehen im Zusammenhang mit der Weigerung der Bundesregierung, Scientology als Religionsgemeinschaft anzuerkennen. Nach Ansicht der Bundesinnenminister handelt es sich bei Scientology vielmehr um „eine Vereinigung, die unter dem Deckmantel der Religionsgemeinschaft Elemente der Wirtschaftskriminalität und des Psychoterrors gegenüber ihren Mitgliedern mit wirtschaftlichen Betätigungen und sektiererischen Einschlägen vereint“. Weitaus folgenreicher als diese politische Einschätzung ist freilich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das entschieden hat, daß es sich bei Scientology um keinen gemeinnützigen, sondern um einen vorwiegend wirtschaftlich tätigen Verein handle, der entsprechend Steuern bezahlen muß.

Dieser Umstand ist es auch, der nach Ansicht des Sektenbeauftragten der evangelischen Kirche in Berlin, Thomas Gandow, die Scientologen tatsächlich auf die Straße gehen läßt. Der Grund: Am Dienstag befaßt sich eben jenes Bundesverwaltungsgericht in Berlin mit einer Klage der baden-württembergischen Scientology-Mission. Dieser war zuvor von der Stuttgarter Landesregierung die Rechtsfähigkeit als Verein entzogen worden. Das Gericht hat nun zu prüfen, ob es sich bei der Mission um ein Wirtschaftsunternehmen oder eine Religionsgemeinschaft handelt.

Daß die Scientologen in Berlin demonstrieren, hat aber noch einen anderen Grund. Vor allem im Immobiliensektor haben sich Scientology-nahe Firmen inzwischen mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einen zweifelhaften Ruf erworben. Jede dritte Eigentumswohnung in Berlin wird nach Schätzungen der Mieterberaterin Ursel Dyckhoff inzwischen von diesen Firmen angeboten. Entsprechend groß ist aber auch der Widerstand gegen die Sektenspekulanten. An zahlreichen Häusern hängen inzwischen Transparente, und auch mancher Kommunalpolitiker weigert sich, die Bauanträge der Scientology-nahen Firmen zu bearbeiten. Selbst der Ring Deutscher Makler (RDM) hat inzwischen einen Unvereinbarkeitsbeschluß mit diesen Firmen gefaßt.

Gleichwohl wird es in Berlin zu keiner Gegendemo zum „Kreuzzug“ der Scientologen geben. „Damit würde man denen nur die Bilder liefern, die sie für ihre Diskriminierungstour brauchen“, sagt Dyckhoff. Statt dessen organisieren die Sektenkritiker eine Großveranstaltung am Vorabend der Demo. Ohnehin ist der Weg nach Berlin für die Jünger Hubbards steinig genug. Nach der Deutschlandhalle, wo ein „Konzert für Religionsfreiheit“ stattfinden sollte, hat nun auch das Hotel Kempinski den Scientologen die Räume für die geplante Konferenz gekündigt. Nun soll das Tribunal, auf dem am Dienstag über 400 Personen über ihre Erfahrungen mit der „Diskriminierung“ in Deutschland berichten sollen, am Stadtrand stattfinden: im wirtschaftlich angeschlagenen Hotel Steglitz International.

Ob zum Scientology-Spektakel, zu dem außerdem ein „interreligiöser Gottesdienst“ an der Gedächtniskirche sowie der geplante Auftritt von John Travolta und Chick Corea gehören, tatsächlich 10.000 Teilnehmer kommen, erscheint inzwischen mehr als fraglich. Die Chartermaschinen aus aller Herren Länder, die die Berliner Scientologen angekündigt haben, sind jedenfalls nicht im Anflug. Einem Charterflug aus Zürich wären ohnehin die Landerechte verweigert wurden. Laut Ankündigung im Internet sollte der Airbus auf dem Flughafen Tempelhof landen. Doch der ist nur für Turboprop- Maschinen zugelassen.