Das Portrait: Carlos Menems Schicksal
■ Graciela Fernandez Mejide
Als bei der Siegesfeier die Anhänger der Alianza in Sprechchören gegen die peronistische Spitzenkandidatin Chiche Duhalde Stimmung machten, ergriff Graciela Fernández Mejide das Mikrofon, wechselte das Thema und ließ ihr Wahlvolk die Alianza hochleben. Plumpe Rache ist nicht die Sache der 66jährigen Französischlehrerin. Während der argentinischen Militärdiktatur sammelte sie Unterschriften zur Freilassung des damaligen politischen Gefangenen Carlos Menem, heute ist sie seine Gegnerin.
Fernández Mejide ist eine Kämpferin. Als im Frühjahr 1976 ihr damals 17jähriger Sohn Pablo von Militärs verschleppt wurde, klapperte sie sämtliche Polizeistationen ab – nirgends bekam sie eine Antwort. Fernández Mejide wurde Vorsitzende der Permanenten Versammlung für die Menschenrechte in Argentinien. Sie stamme aus keiner „besonders politisierten Familie“, sagt sie heute. Anlaß für ihr Engagement sei das Verschwinden ihres Sohnes gewesen. Sie „setze den Schmerz um in einen Kampf für Gerechtigkeit.“
Als sie im Jahre 1951 zum erstenmal wählen durfte, machte sie ihr Kreuz bei der Sozialistischen Partei. Ihre ersten Schritte im Dienste einer Partei tat sie 1990 in der Partido Democrática Popular. Damals, so erinnert sie sich, habe sie im Wahlkampf gemeinsam mit einem Mitstreiter und mit einem Megaphon bewaffnet in einem Park gestanden und sich gefreut, daß einige Leute stehenblieben. Doch als ein Linienbus vorbeikam, sei ihr Publikum eingestiegen und weggefahren. Da erst habe sie bemerkt, daß sie ihre Rede an einer Bushaltestelle gehalten hatte.
Mittlerweile hat sich Graciela Fernández Mejide genügend Gehör verschafft. Seit 1995 sitzt sie im Senat für das Mitte-links-Bündnis Frepaso, das zusammen mit der Radikalen Bürgerunion (UCR) die Alianza bildet. Im vergangenen Jahr wurde sie zur Vorsitzenden der Verfassungskommission von Buenos Aires gewählt. In dem Macholand Argentinien hat sich Graciela Fernández Mejide in der Männerdomäne Politik durchgesetzt. Durch ihren erdrutschartigen Sieg über Chiche Duhalde hat sie sich nun für den Posten der Präsidentschaftskandidatin der Alianza empfohlen. Carlos Menem prophezeit sie, er werde nach Auslaufen seiner Amtszeit 1999 wegen Korruption vor Gericht gestellt... Ingo Malcher
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