■ Nachschlag: Gitte Haenning mit ihrem Vater Otto in der Bar jeder Vernunft
Irgendwie scheint sich die Bar jeder Vernunft als Ort für musikalische Familienzusammenführungen zu etablieren. Vor kurzem erst traten Filmproduzent Atze Brauner und Tochter Sharon gemeinsam vors Mikrophon, nun also Gitte und Otto Haenning. Während allerdings Brauner eher singender Laie ist, standen Tochter und Vater Haening bereits vor über 40 Jahren gemeinsam auf der Bühne. Klein- Gitte war gerade acht, als ihr Vater das erste Duett mit ihr aufnahm. Im Laufe der Jahrzehnte wechselte sie vom Schlager ins Popgeschäft und zum ernsthaften Chanson, um zuletzt als Musical-Darstellerin in der glücklosen Produktion „Shakespeare & Rock 'n' Roll“ ihres Lebensgefährten Friedrich Kurz für etwas größere Auslastung zu sorgen.
Nun also Gitte Haenning auf dem Weg zurück zum Jazz, mit dem sie als Kind begann. Ihr Vater ist nämlich nicht nur ein vielseitiger Komponist, sondern vor allem ein renommierter Jazzmusiker. Zwei seiner Lieder, die er der damals 13jährigen Tochter schrieb, stehen auf dem Programm „Songs for my Father“. Unterdessen sitzt sie im schwarzen Frack auf einem Barhocker und behauptet sich mit ihrer unverkennbaren, absolut sicheren Stimme als seelenvolle Jazzsängerin. Ihre Drei-Mann-Combo liefert den musikalischen Rahmen, Gitte Haenning das Feeling und den Charme. Der Spaß, den sie dabei hat, spiegelt sich in ihrem Gesicht wider, das ständig zwischen freudestrahlendem Lachen und verinnerlichtem Blues wandelt.
Und dann holt sie ihren Vater auf die Bühne. Seine 80 Lebensjahre will man ihm nicht glauben. In weißem Jackett und rotem Rollkragenpulli nimmt er neben ihr Platz, die Gitarre um den Hals gehängt. Optisch eine Mischung aus Bruce Low und Roger Whittacker, vom Wesen offensichtlich ein Mann mit viel Swing. Da widmet ihm die Tochter den Klassiker „Ol' Man River“ und der Vater spielt begeistert Gitarre; oder sie singt à capella ein Medley aus schwedischen Kinder- und Liebesliedern und er klopft mitgerissen den Takt dazu, bis ihm Gitte zärtlich auf die Finger haut. Autoritär sei er als Vater gewesen und streng, erzählt Gitte über ihren Vater, kurz bevor er die Bühne betritt. Zuletzt singen sie gemeinsam ein dänisches Kinderlied. Es klingt lustig und fremd zugleich. Axel Schock
Bis 2. 11., 20.30 Uhr, Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen