: Artenschutz für Zebrastreifen
Die Fraktionen von CDU und SPD wollen den Ausbau der Fußgängerüberwege statt teurer Ampeln fördern. Verkehrsverwaltung hält an Ampeln fest, weil Autos „sowieso nicht an Zebrastreifen halten“ ■ Von Bernhard Pötter
Verkehrsverwaltung und der Verkehrsausschuß des Parlaments streiten um die Sicherheit auf den Straßen: Für die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen sind besonders in Zeiten des Sparzwanges die billig einzurichtenden Zebrastreifen das beste Mittel, flächendeckend für eine Senkung der Unfälle zu sorgen. Die Verwaltung von Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) dagegen setzt weiter auf teure Ampelanlagen. Begründung: An Zebrastreifen halten die Autos einfach nicht an.
SPD und CDU haben einen Antrag für den Verkehrsausschuß beschlossen, in dem der Senat aufgefordert wird, „an geeigneten Stellen im Straßennetz auch weiterhin neue Fußgängerüberwege (Zebrastreifen) einzurichten“ und neue Ampeln auf „unbedingt notwendige Fälle zu beschränken“. Gleichzeitig sollte verstärkt überwacht werden, ob Autos an Zebrastreifen auch wirklich anhalten.
Der Antrag fordert von der Verkehrsverwaltung eine Umkehr der bisherigen Politik. Denn seit Mitte der sechziger Jahre sind die Zebrastreifen nach und nach aus dem Stadtbild verschwunden. Laut Vorschrift der Verwaltung dürfen Zebrastreifen nur dort eingerichtet werden, wo die Fahrbahn in jeder Richtung höchstens einspurig ist und höchstens 600 Autos und 100 Fußgänger verkehren. Inzwischen gibt es von den Übergängen, die bis zu 30.000 Mark kosten, nur noch etwa 100 in der Stadt. Ampelanlagen für bis zu 500.000 Mark pro Stück dagegen gibt es über 1.000 in Berlin. „Autofahrer respektieren die Zebrastreifen einfach nicht“, meint die Sprecherin der Verkehrsverwaltung, Petra Reetz. „Die Masse der Fahrer drosselt an einem Übergang nicht einmal die Geschwindigkeit, obwohl sie zum Anhalten verpflichtet sind, sobald ein Fußgänger über die Straße will.“ Verkehrsexperten rechneten den Streifen daher nur „scheinbare Sicherheit“ zu, weil sie die Aufmerksamkeit der Fußgänger senkten. „Zebrastreifen sind inzwischen ein Unfallschwerpunkt.“ Mehr Zebrastreifen bedeuteten mehr Unfälle, so Reetz.
„Es geht ja wohl nicht an, die Berliner als schwererziehbare Menschen zu sehen und deshalb die Gültigkeit der Verkehrsregeln auszusetzen“, meint dagegen der SPD-Abgeordnete Christian Gaebler. Im SPD-CDU-Antrag wird daher der Vorzug für die Ampeln als „Zurückweichen vor der Undiszipliniertheit“ kritisiert, das den Haushalt „mit zusätzlichen Kosten für eigentlich nicht benötigte Lichtsignalanlagen“ belaste. Im Haushalt 1998 sind die Mittel für neue Ampeln auf 17 Millionen Mark (1996: 25 Millionen) zusammengestrichen worden.
Eine Renaissance der Zebrastreifen würde auch Bernd Herzog-Schlagk vom Fußgängerschutzverein „Fuss e.V.“ begrüßen. „Studien haben gezeigt, daß mehr Unfälle in Städten passieren, wo die Zebrastreifen abgebaut werden, weil die Autofahrer unaufmerksam werden. Je mehr Zebrastreifen es gibt, desto weniger Unfälle mit Fußgängern“, so Herzog-Schlagk. Bereits jetzt passierten 80 Prozent dieser Unfälle an Ampeln. Wichtig sei vor allem, daß es viele Querungen der Fahrbahn gebe, „am besten alle 100 Meter eine“, um den Verkehr zu verlangsamen.
Am besten seien Zebrastreifen, die vom Autofahrer aus gesehen nicht längs, sondern quer über die Straße gingen, um eine optische Bremse zu erreichen. Vor allem aber müßten an Zebrastreifen „Gehwegnasen“ in die Fahrbahn hereinreichen, um die Fußgänger in das Blickfeld der Automobilisten zu rücken.
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