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Immer Ärger mit dem Eisengott

■ „Voudou – der Gott im Kühlschrank“: eine Sonderausstellung im Museum für Völkerkunde

Aus Afrika werden meist nur Katastrophen bekannt. Wenn es den Menschen auch schlecht geht, in Westafrika können sie sonntags zwischen 15 und 17 Uhr zu Göttern werden. Denn die Geister des Voudou ergreifen von ihren Anhängern in Trance so vollständig Besitz, das dieses Außer-Sich-Sein auch vor Gericht als Entschuldigung akzeptiert wird.

Diesen Zustand kann man in der neuen Sonderausstellung des Museums für Völkerkunde nicht erreichen, aber die aufwendige Inszenierung von Voudou – der Gott im Kühlschrank zieht die Besucher ganz in ihren Bann. Wie ein Bühnenbild ist ein afrikanisches Dorf aufgebaut, hinter dessen Fassaden die traditionellen Ausstellungsstücke einer Kultur gezeigt werden, die durch ihre jüngeren Ableger in Brasilien und Haiti bekannter ist als durch ihre Ursprünge im Süden Westafrikas, in Ghana, Togo, Benin und Nigeria.

Die Götter des Voudou sind – ohne alle Blasphemie gesagt – trickreich, gefräßig und unverschämt. Besänftigende Schnaps- und Rauchopfer für die bestechlichen Gottheiten sind teuer: Wenn man in Westafrika angehauen wird „Haste 'ma 20 Mark, mein Fetisch raucht zuviel Dunhill!“, ist das kein Witz. Und immerhin hat diese synkretistische Religion mit Einflüssen aus Christentum und Hinduismus mindestens 50 Millionen Anhänger.

So wendet sich der zweite Raum der Ausstellung vom ländlichen Ursprung ab und zeigt die heutige Praxis in den großen Millionenstädten. „ Mein Auto hat schon wieder eine Gruppe von Fußgängern angegriffen – so kann es nicht weitergehen“, sagt ein genervter Autofahrer zum Voudoupriester. Und der kuriert das Auto, indem er dem Eisengott Egou als Opfer Hühnerblut, weißes Puder und Palmschnaps darbringt (was die Reparatur in der Werkstatt allerdings nicht überflüssig macht).

Waren die Kultfiguren früher eher einfach, gibt es – allerdings ohne daß ein besonderer Künstlerstatus beansprucht wird – heute aufwendige, modern gestaltete Plastiken der Göttergestalten, wie an Beispielen von Agbagli Kossi aus Lome gezeigt wird.

So fremd uns das alles erscheint, es gibt in Afrika, Asien und Amerika eine zunehmende Zahl von Geistern, die die Unübersichtlichkeit des modernen Lebens in den Metropolen bewältigen helfen sollen. Und statt ein Kreuz anzubeten erscheint es dem Priester André Teteh Hounkpati Kunkel aus Togo logischer, ein Fetisch-Telefon zu benutzen, um Kontakt zu spirituellen Kräften aufzunehmen. Hajo Schiff

Museum für Völkerkunde Hamburg, Rothenbaumchaussee 64, bis 2. August 1998. Katalogbuch „Die Medizin der schwarzen Götter“, Haymon-Verlag Innsbruck, 240 Seiten, 38 Mark und CD „ The Sound of Voodoo“, 30 Mark

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