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Oregon verleiht Flügel

■ Im ausverkauften Vegesacker KITO stießen Ralph Towner und Band vertraut-schöne Jazzwölkchen in die Luft

Paul McCandless war sichtlich verwirrt. Ob's die ersten Zeichen von Alzheimer waren? Wohl kaum. Nach dutzenden von Einspielungen und 27 Jahren des gemeinsamen Konzertierens kann der Versuch, das nächste Stück korrekt anzusagen, schon mal in die Hose gehen. Aber auch wenn Paul McCandless nicht mehr wußte, auf welcher Oregon-Scheibe sich „The Blight“befindet, und auch wenn ihm wenig später die Reihenfolge der Stücke kurzzeitig entfallen war, dem Vergnügen des Publikums tat dies kein Abbruch.

Im Gegenteil. Geradezu familiär ging es im ausverkauften KITO zu. „Hello Ralph, how are you?“, „Great job, Paul!“– die vier US-Amerikaner hatten auch fern von der Heimat bei ihrem x-ten Auftritt in Bremen ein Heimspiel unter lauter FreundInnen. Und wer sich zu Hause fühlt, benimmt sich bekanntlich zuvorkommend: Mehr als drei Stunden nach Konzertbeginn war es, als die Musiker ihre Instrumente endgültig wieder in die Koffer zurücklegten.

Wer sie noch nicht kannte, hatte an diesem Abend ausgiebig Gelegenheit zum Live-Hörtest: „Northwest Passage“, die jüngste CD von Oregon, stand im Mittelpunkt des Konzerts. Nach Oregons innovativen Ethnojazz der 70er und 80er Jahre und den kleineren elektronischen Verirrungen der 90er Jahre rieb man sich im KITO nach den ersten, vorgeblich neuen Oregontönen zunächst verwundert die Ohren. Mainstreamjazz, garniert mit einigen typischen Oregon(o)gewürzen, perlte aus Towners Gitarre (und Synthesizer), McCandless' Hörnern, Glen Moores Baß und Mark Walkers Percussions. Aber was in der Küche von Bocuse gilt, wird im Jazz nicht außer Kraft gesetzt. Auf die Virtuosität der Köche kommt es an! Schon das traumhaft schöne zweite Stück, „Take heart“, lud zum Fliegen ein, und spätestens bei „Claridade“schwebte man zwei Meter über den Köpfen, getragen vom perfekten Zusammenspiel der Band und Mcandless Flöten- und Saxophonsoli, der mit seiner schier unglaublichen Virtuosität selbst einem Bleistift zauberhafte Melodien entlocken könnte. Ein richtig schöner Abend. zott

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