Falscher Verdacht

■ Oder: Lesen Dichter vom Prenzlauer Berg womöglich doch gelegentlich die taz?

Die taz hat es ins Allerheiligste der Inselkultur geschafft: in den englischen Kriminalroman. Es sei also nicht verschwiegen, daß sich in der taz-Redaktion ein sicher ganz unbritisches Gefühl des Triumphes einstellt. Aber das hält nicht lange vor. Wer würde hier auf dem Kontinent, in Berlin, schon glauben, daß der DDR-Dissident Krokowski mit seiner Plastiktüte so aussah, „als wäre er gerade aus einem Hinterhof am Prenzlauer Berg gekommen, um in der nächsten Kneipe seine taz zu lesen“? Solche Leute, Dichter vom Prenzlauer Berg – wir müssen es leider sagen – lesen ganz andere Blätter.

„Verdacht“ von Robert McCrum fehlt nicht nur der Bezug zur Wirklichkeit, sondern auch die Kriminalromanen häufig wesentliche Dimension der Investigation – gerade weil er in dem im britischen Krimi beliebten Topos des perfekten Verbrechens kulminiert. Genauer gesagt: dem Mord an Krokowski, der nie entdeckt werden wird.

Die Frage ist nicht who did it, und auch nicht wirklich, warum. Es geht darum, wie der englische Mann, der unpolitische wie der extrem politisierte Typus, abgehandelt an dem ungleichen Brüderpaar Julian Whyte (Rechtsanwalt) und Raymond Rowley-Whyte (Kommunistische Internationale), in sein Verderben rennt, das natürlich in Gestalt einer schönen Frau daherschreitet. Mit der Realität hat auch das nur bedingt zu tun, selbst wenn die Beimischung von aktueller Zeitgeschichte, nämlich der Untergang der DDR, das zu suggerieren sucht. Gepflegte Unterhaltung, nicht unintelligent gemacht. Und die taz kommt vor. Immerhin etwas. Brigitte Werneburg

Robert McCrum: „Verdacht“. Aus dem Englischen von Lutz-W. Wolf. dtv premium, München 1997, 320 Seiten, 28 DM