American Pie
: Kanada ohne Gretzky?

■ Kontroverse um Eishockey-Olympiateam

Oh, and while the king was looking down, the jester stole his thorny crown

Nicht ohne Neid schielt Gary Bettman, Commissioner der Eishockeyliga NHL, auf seinen Kollegen David Stern, dessen NBA blüht, gedeiht und weltweit riesige Profite bringt. Soeben hat die NBA ihre Fernsehverträge mit NBC und Turner um vier Jahre verlängert – zum Preis von 2,4 Milliarden Dollar. Früher war Bettman der Assistent von Stern, so ist es nur logisch, daß er in seine Fußstapfen tritt. Den größten Schritt will er im Februar 1998 bei den Olympischen Winterspielen in Nagano machen, wo erstmals die berühmtesten NHL-Cracks antreten werden. Allerdings nicht in einem einzigen Dream Team, sondern in verschiedenen Mannschaften. Statt eines einseitigen Turniers mit Showcharakter dürfen spannende und rasante Spiele erwartet werden. Beste Werbung für die NHL.

Doch Moment: die berühmtesten Cracks? Nicht unbedingt. Während es beim Dream Team nie eine Frage war, ob Larry Bird oder Magic Johnson zu den zwölf aktuell besten Spielern gehörten, wird in Kanada ernsthaft diskutiert, ob Wayne Gretzky nominiert werden soll. „The Great One“ hatte vor einem Jahr erklärt, er werde liebend gern in Japan spielen, und wohl nie mit Problemen gerechnet. Doch nach der als nationale Katastrophe empfundenen Niederlage Kanadas im World Cup gegen die USA gibt es nicht wenige Stimmen, die fordern, das stärkste Team zu nominieren, und gleichzeitig bezweifeln, daß Gretzky, obwohl Topscorer der New York Rangers, noch zu den vier besten Mittelstürmern des Landes gehört.

Coach Marc Crawford wird seinen Kader am 1. Dezember bekanntgeben, hätte der Sache aber ein Ende machen können, wenn er gesagt hätte: „Natürlich ist Gretzky dabei.“ Hat er aber nicht, sondern verkündet: „Wayne will, daß die Entscheidung nach Leistung geht.“ Und so muß es sich die große Nummer 99 gefallen lassen, daß seine Tore und Assists (derzeit: 6/13, Platz 13 der Scorerwertung) für die lahmenden Rangers noch genauer unter die Lupe genommen werden als sonst. Seinen Gefallen findet diese demütigende Prozedur kaum. „Darüber rede ich nicht“, sagt er inzwischen, wenn er nach Olympia gefragt wird. Matti Lieske