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Freie Auswahl für Verschwender

■ In Norwegen ist der Elektrizitätsmarkt seit Jahren liberalisiert. Als Folge billiger Tarife ist Energiesparen kaum noch ein Thema

Wenn Fred Nandrup seine Zeitung aufschlägt, findet er für deutsche Augen seltsame Tabellen im Wirtschaftsteil: Alle Kraftwerksbetreiber des Landes sind aufgeführt – samt dem Strompreis, den ein Kunde zu zahlen hat, wenn er von diesem Erzeuger Elektrizität bezieht. Mit kurzer Kündigungsfrist kann ein Kunde in Norwegen jederzeit den Versorger wechseln.

Fred Nandrup würde auch ohne die Tabellen zurechtkommen, schließlich ist er einer der obersten Strombosse seines Landes. Aber auch normale Kunden wechseln jedes Vierteljahr zu Tausenden zu billigeren Versorgern, vor allem seit im Januar die Gebühren für einen Versorgerwechsel abgeschafft wurden. Vor 1992 mußten wie in Deutschland die Kunden vom Monopolversorger ihres Gebietes den Strom zu einem vom Staat genehmigten Preis kaufen.

Zwischenhändler kommen ins Spiel, und, undenkbar derzeit in Deutschland: Sie verdienten in den letzten Jahren oft mehr als die Stromerzeuger. Denn die Preise fielen seit 1992 durch die Konkurrenz teilweise weit unter die Entstehungskosten, weil auch in Norwegen die Turbinen mehr Strom liefern können, als die Verbraucher aus den Steckdosen zapfen.

Nandrups Stromrechnung teilt sich neben Gebühren und Steuern in zwei Teile: 18 bis 20 Öre (4,5 bis 5 Pfennig) muß er pro Kilowattstunde an den von ihm ausgewählten Stromerzeuger zahlen. Wenn es trocken ist, steigt der Preis auch schon mal auf 30 Öre, denn die Norweger erzeugen ihren Strom fast ausschließlich in Wasserkraftwerken. Als zweite Komponente zahlt er an den Besitzer der Leitungen zu seinem Haus noch einmal 3 bis 4 Pfennig pro Kilowattstunde. Alles zusammen liegt der Preis für die Kilowattstunde zwischen 7,5 und 11 Pfennnig. Auch ein Großkunde kriegt den Strom nur bei langfristigen Lieferverträgen merklich billiger. Zum Vergleich: In Deutschland nennen die Energieversorger für Industriekunden einen Durchschnittspreis von 13 Pfennig, für Private liegt er meist weit über 20 Pfennig.

Die Strommonopole wurden auch in Norwegen nicht überall aufgebrochen. Alle Lieferungen müssen über die Leitungen des Versorgers vor Ort gehen. Doch der Staat schreibt für jeden Versorger sehr genau vor, wieviel er für die Durchleitung verlangen darf. „Obwohl Norwegen ein riesiges Land mit wenigen Menschen ist, sind die Übertragungskosten in Deutschland offenbar viermal so hoch wie bei uns“, sagt Nandrup. „Da sieht man, wieviel Luft in den deutschen Preisen ist.“

Die Umwelt wird sich wohl weniger freuen, wenn auch in Deutschland dereinst die Strompreise sinken sollten. Denn damit nimmt auch die Notwendigkeit des Energiesparens ab, wenn auch die Deutschen wohl nie auf den Weltrekordverbrauch der Norweger kommen werden: Die Nandrups und Laudrups verprassen im Schnitt 26.000 Kilowattstunden pro Kopf und Jahr – das ist mehr als siebenmal soviel wie der hiesige Normalverbraucher.

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