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Die jungen Wilden und die Diva

■ Die phlegmatische Spanierin Conchita Martìnez widersetzt sich am Rothenbaum dem Ansturm des Nachwuchses Von Folke Havekost

Als die Digitalanzeige der Uhr kurz davor war, auf 16 umzuspringen, die Sonne am heißesten auf den Centre Court brannte und die Heidelbergerin Petra Begerow sich gegen Anke Huber zwei Spielbälle zum 3:0 im letzten Satz erkämpft hatte, schien sich die ansehnliche Reihe gestürzter Favoritinnen um ein Opfer zu erweitern: Doch der deutschen Nummer 2, die am Vortag so mühelos die Amerikanerin Ann Grossman in die Resignation getrieben hatte, war das Schicksal gnädig.

Die für Hamburger Verhältnisse gleißende Sonne, die Erschöpfung nach dem harten Match gegen Mary Pierce, eine Muskelverletzung oder einfach die Nerven – alles plausible Erklärungen für den Einbruch der 20jährigen Begerow, die kein Spiel mehr gewann und mit 6:3, 4:6 und 2:6 verlor. Anschließend war die zweite Überraschungssiegerin des Achtelfinales, die 18jährige Jana Kandarr beim 1:6, 0:6 gegen Conchita Martìnez chancenlos. Die Erwartung weiterer Sensationen wurde enttäuscht.

Zu Beginn des Tages war selbige noch kräftig genährt worden, als die 14jährige Schweizerin Martina Hingis sich nach ihrem Coup gegen Jana Novotna auch gegen Judith Wiesner mit 7:6, 6:1 ins Rampenlicht geschmettert und ihre österreichische Gegnerin mit dem zweifelhaften Kompliment „Ich glaube, sie hat heute für ihre Verhältnisse sehr gut gespielt“ auf den Nebenplatz der Tennis-Geschichte verwiesen hatte.

Das Halbfinale bestreitet Hingis heute gegen Huber: „Wenn man schon so weit gekommen ist, dann möchte doch jeder auch das Turnier gewinnen“, meinte die erst seit sieben Monaten bei den Senioren spielende Hingis holprig, aber keck – zur Freude der Veranstalter. Denn ob solch forscher Schläge und Worte war das Schlagwort schnell gefunden, um der Veranstaltung nach dem Aus der Topstars Pierce und Novotna neuen Glanz zu verleihen. Gegenüber dem Montag beginnenden Männerturnier, bei dem neun Top-Ten-Spieler das Racket schwingen, waren die Frauen nach den Absagen von Steffi Graf und Arantxa Sanchez-Vicario ohnehin sportlich wie publizistisch ins Hintertreffen geraten. Die Lösung bot sich also an: Zusammen mit Begerow und Kandarr bildete Schweizermädli Hingis ein aufständisches Triumvirat – die jungen Wilden waren geboren.

Nichts gegen Hingis, aber ihr hölzern-farbloser Stil des Alle-Bälle-hart-Zurückschlagens-bis-die-Gegnerin-einmal-patzt ist so kreativ nicht. Auch nichts gegen Kandarr, aber hätte sie Martìnez besiegt, wäre das Turnier um seine einzige Attraktion beraubt worden – die phlegmatische Aura der als trainingsfaul gescholtenen 23jährigen Wimbledon-Siegerin findet im Tennis-Circuit kein Pendant. Während die Kolleginnen schuften, verbindet Martìnez an gelungenen Tagen Nichtanstrengung auf wundersame Weise mit Effektivität und schert sich allenfalls beiläufig um Präsentation.

Dazu gehört betont unlaszives Kaugummikauen während der Autogrammviertelstunden genauso wie unbemühte Antworten a la I can only tell you that I'm happy with the new one auf Fragen nach dem alten Trainer. Wer anderes erwartet, hat selbst schuld – eine Diva soll man nicht befragen. Sollten die ZuschauerInnen am Sonntag eine gut aufgelegte Martìnez erleben, wird die Spanierin sich hauptsächlich dem Zubinden ihrer nachlässig geschnürten Senkel widmen, ein paar Bälle schlagen und sich nebenbei in die Siegerliste eintragen.

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