: Azubis wollen keine Hiwis sein
■ „In vielen Betrieben lernen wir nicht genug“/ 550 Gastronomie-Azubis fordern „Ausbildung statt Ausbeutung“
Wer ein ganzes langes Lehrjahr nur Käseplatten anrichtet, lernt als kommende Gastronomie-Fachkraft nicht übermäßig viel für seine spätere Prüfung. Viele Lehrlinge in Bremens Hotels und Restaurants fühlen sich schlecht ausgebildet. Oft würden Azubis nur als billige Arbeitskräfte eingespannt, klagt Frank Crivellari, angehender Koch und Sprecher der 550 Bremer Gastronomie-Azubis. Gestern organisierten sie unter dem Motto „ Ausbildung statt Ausbeutung“in ihrer Berufsschule am Rübekamp einen Aktionstag.
„In vielen Betrieben lernen wir einfach nicht genug“, sagt Crivellari. Dazu trage auch der Trend zu vorgefertigten sogenannten „Convenience“-Produkten bei, der die traditionelle Kochkunst aus vielen Küchen verdrängt habe. „Einen Kochbeutel aufreißen kann jeder“, so ein Azubi.
Auch Ottomar Bazak, Leiter des Schulzentrums, hält eine überbetriebliche Ausbildung für Köche, Restaurant- und Hotelfachleute für notwendig. Denn auch beim besten Willen könnten kleinere Restaurants nur schwer wie ein Luxushotel die ganze geforderte Ausbildungspalette abdecken. Ein von den Schülern vorgeschlagenes Modell, in der Berufsschule ein komplett von den Auszubildenden betriebenes Lehrrestaurant einzurichten, fände Bazak sinnvoll.
Die Jugendlichen machen sich Sorgen um ihre Zukunft. „Wir arbeiten in der Gastronomie sehr viel und bekommen nur ein Taschengeld“, sagt Crivellari. Das nehme man nur auf sich, um solide Kenntnisse vermittelt zu bekommen. „Wenn das nicht gegeben ist, hört für mich die Sache auf“. Kein Wunder sei es, wenn es in Bremen für Köche und Restaurantfachleute noch freie Ausbildungsplätze gebe.
Die Arbeitsbedingungen haben sich nach der Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes verschärft. Auszubildende über 18 Jahren können seither nach der Berufsschule zur Arbeit zitiert werden. Dann fängt der Schul-Tag um 7.45 Uhr an und dauert bis 14.45 Uhr. Ab 16 Uhr beginnt die Schicht in der Küche oder der Gaststube, die häufig nicht vor 22 Uhr endet. Arbeitszeiten von bis zu 50 Stunden sind pro Woche auch in der schulfreien Zeit keine Ausnahme.
Viele Hotels und Restaurants rechnen nach Angaben von Matthias Brümmer von der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) nur genau die 45 Minuten einer Schulstunde als Arbeitszeit an. „Das ist ein rechtfreier Raum“, meint Brümmer. „Wir warten darauf, daß jemand dagegen klagt“.
Azubis berichten, daß besonders das edle Park-Hotel diese harte Linie fährt, während andere Betriebe den Jugendlichen nach der Berufsschule freigeben.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband räumt ein, daß es in der Branche schwarze Schafe gebe, sanktionieren könne der Verband seine Mitgliedsfirmen aber nicht. Die Gewerkschaft hat es schwer, die Gastronomie-Kräfte zu organisieren. Das liegt laut Brümmer an der enormen Personal-Fluktuation in der Branche, in der eine gewisse Wanderschaft zum guten Ton gehörte. Umso wichtiger sei es, in jedem Betrieb Jugendsprecher zu wählen, um die Qualität der Ausbildung zu überwachen.
Joachim Fahrun
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