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Die CSU greift ins Hanfregal

Bayern will Growshop-Betreibern den Verkauf von Cannabissamen verbieten lassen. Die Hanflobby kommentiert: Letztes Gefecht im „Krieg gegen Drogen“■ Von Frank Hoffmann

Schlechte Verlierer treten nach, das ist nichts Neues. Um so weniger erstaunt es, daß Ende des Monats die bayerischen Hanfgegner in der CSU und ihre Verbündeten im CSU-geführten Bundesgesundheitsministerium mit einem Bundesratsantrag den Verkauf von Hanfsamen verbieten lassen wollen.

Die bayerischen Drogenkrieger haben sich viel Mühe für den Entwurf einer entsprechenden Änderung in der Anlage des Betäubungsmittelgesetzes gemacht: Demnach dürften Tierhändler weiter Hanfsamen sackweise als Vogelfutter verkaufen. Die Betreiber der nach Insiderschätzungen bundesweit mehr als 400 Grow- und Headshops in der Bundesrepublik müßten aber auf ihre einzeln verpackten Cannabissamen im Sortiment verzichten. Ein schnöder Griff ins Ladenregal über den Umweg des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG). Demnach solle der Verkauf verboten werden können, wenn die Samen in „zählbarer Körnermenge, häufig in Verbindung mit Beleuchtungssystemen für den Anbau in Wohnräumen und Keller“, angeboten werden, heißt es in der Bundesratsvorlage. Auch wenn sich auf der Packung „Angaben des THC-Gehalts der angebauten Pflanzen“ befinden, sollen die Samenpäckchen aus dem Regal verbannt werden.

Ein bayerischer Windmühlenkampf, nachdem sich in den meisten deutschen Großstädten der Cannabis-Markt vor allem durch den massenhaften Heimanbau längst von dem der harten Drogen trennen konnte. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz (BgVV) hat die christsoziale Bundesratsinitiative Ende Oktober schon mal flankiert. Vermeintlich aus heiterem Himmel schrieb das BgVV – ein Nachfolgeinstitut des abgewickelten Bundesgesundheitsamtes – in einer Pressemitteilung, der „Einsatz von Hanf in Lebensmitteln kann gesundheitlich problematisch sein“. Das Institut versucht die rasant wachsende Produktpalette in Sachen Hanf in Mißkredit zu bringen: Egal ob Hanf-Energydrink, Hanfbier, die ernährungsphysiologisch besonders wertvollen Cannabis- Riegel der Müsli-Fraktion oder das an essentiellen Fettsäuren reiche Hanfsamenöl – das Warenregal in der Hanfecke soll „aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes“ einen Grenzwert für den Rauschstoff THC (Tetrahydrocannabinol) übergestülpt bekommen.

Wichtigstes Argument für die Berliner Gesundheitsschützer ist der Test eines Hanföls aus der Schweiz. 1.500 Milligramm THC pro Kilogramm seien hier entdeckt worden. Nach Auffassung der Berliner Hanfgesellschaft und des Hürther nova-Instituts lag hier aber „eine absolute Ausnahme“ vor. Das Schweizer Testöl sei aus den Samen von dort erlaubten THC-haltigen Cannabispflanzen gepreßt und – unüblicherweise – zusammen mit den THC-haltigen Samenhüllblättern verarbeitet worden.

Für den Funktionär der Hanfgesellschaft, Matthias Schillo, sind die Initiativen von CSU und BgVV denn auch nicht mehr, als eine „letzte Reaktion der konservativen Schiene“. Ein letzter Schlag im „Krieg gegen Drogen“. Während die Rückkehr des Hanfes auf deutsche Felder seit 1996 eine unumkehrbare Entwicklung darstellt, treten die Anhänger der Cannabis- Prohibition noch einmal nach, ist Schillo überzeugt.

Wie sehr der Nischen-Boom der Hanfartikel die kalten Hanf-Krieger schon hinter sich gelassen hat, vermittelt unterdessen die Pressemitteilung des BgVV von Ende Oktober. Während allein in Berlin jede dritte Szene-Kneipe und solche, die so verstanden werden wollen, mit hanfblüten-versetzten Braugetränken reüssieren, schreiben die BgVV-Propagandisten: „Eng verwandt mit dem Hanf ist der Hopfen. Dies mag die Verwendung männlicher Hanfblüten bei der Bierherstellung erklären.“ Der Report philosophiert: „Hanfblüten werden hier offenbar zur Geschmacksabrundung eingesetzt.“ Offenbar. Die „Beweisführung“ für die vermeintlichen Gefahren der Hanfgetränke ziehen die BgVV-Schreiber daraus, daß „die amtliche Lebensmittelüberwachung gegen diese Verwendung Einwände erhoben hat, da es sich bei Hanfblüten nicht um einen zugelassenen Zusatzstoff handelt“. Gerade so, als ob es die Liberalisierung im EU-weiten Lebensmittelrecht nicht gegeben hätte.

Das dem Seehofer-Ministerium unterstehende Bundesinstitut fordert in seiner Mitteilung die Einhaltung eines Grenzwertes von „ein bis zwei“ Mikrogramm THC pro Kilogramm Körpergewicht, die Berliner Hanfgesellschaft und das Hürther nova-Institut halten zehn bis zwanzig Mikrogramm für unproblematisch. Die Änderung des Anhangs am Betäubungsmittelgesetz steht am 28. November auf der Tagesordnung des Bundesrates. Bis dahin will die Berliner Hanfgesellschaft noch mächtig trommeln: „Any news is good news“, ist Matthias Schillo überzeugt. Der letzte Tritt der Cannabis-Krieger könne am Ende „auch Wasser auf unsere Werbemühlen sein“.

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