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Koranisches Zinsverbot umstritten

■ betr.: „Kredite aus Mildtätigkeit, Beteiligung statt Zinsen“, taz vom 1./2.11. 97

In Ihrem Artikel erwähnen Sie, daß etwa 2,8 Millionen Muslime in Deutschland Probleme mit zinsbehafteten Bankgeschäften haben. Dem kann in dieser Vereinfachung nicht zugestimmt werden.

Die genaue Bedeutung des koranischen Zinsverbotes ist bei islamischen Rechtsgelehrten und Denkern umstritten. Ursprünglich handelte es sich dabei wohl um das Verbot der Praxis, die Schuldensumme zu verdoppeln, wenn sich die Kreditrückzahlungen des Schuldners verzögerten. In einer kontextbezogenen Auslegung folgern „modernistische“ Interpreten, daß – wie dies in allen modernen Bankgesetzen der Fall ist – nur überhöhte, sprich: „wucherische“ Zinssätze untersagt sind, und beziehen dies auch nur auf Konsumentenkredite. Hingegen ist nach der vorherrschenden Meinung „islamischer Ökonomen“ und anderer islamischer Denker, die die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft nach islamischen Prinzipien gestalten wollen, Zinsnahme und -zahlung grundsätzlich verboten. Aber in der alltäglichen Praxis hat das Zinsverbot auch in islamischen Ländern nur begrenzte Bedeutung.

In den meisten Staaten herrscht Wettbewerb zwischen konventionellen und islamischen Banken, die jedoch erst in den letzten zwei Jahrzehnten entstanden: während in Ägypten der Anteil islamischer Banken zirka zehn Prozent an allen Bankeinlagen beträgt (zirka 20 Prozent betrachtet man nur als privaten Banksektor), liegt der Anteil am Bankenmarkt in der Türkei nur bei zirka einem Prozent. Viele der als Alternative entwickelten Bankgeschäfte sind aber umstritten, da die Kapitalentlohung immer noch zu zinsähnlich stattfindet (ein ähnliches Abgrenzungs- und Legitimationsproblem haben ja die erwähnten Ökobanken: was gilt noch als „öko“ und was nicht?). Islamische Banken gibt es aber nicht nur in der islamischen Welt, sondern sie haben sich auch an westlichen Finanzplätzen niedergelassen (in Westeuropa zum Beispiel in der Schweiz, Großbritannien, Luxembourg, Dänemark). Inzwischen haben aber auch viele westliche Banken, zum Beispiel in den USA, in Frankreich und in Großbritannien, gesonderte Abteilungen eingerichtet bzw. Finanzierungsgeschäfte ausgearbeitet, mit denen sie Geschäftspartnern, die Zinsen ablehnen, entgegenkommen!

In Deutschland konnte sich bislang noch keine islamische Bank niederlassen – was sich vielleicht noch im Rahmen des Binnenmarktes ändern mag –, aber für die türkische Gemeinde unterhält die Faisal Finance Institution Inc. zumindest eine Repräsentanz in Frankfurt/Main. Hinweisen läßt sich auch auf das islamische Rechtsprinzip, daß „die Notwendigkeit das eigentlich Verbotene erlaubt“ und so auch Gläubigen, die Zinsen eigentlich ablehnen, den Umgang damit im nichtislamischen Gebiet ermöglicht. Auch in arabischen Ländern scheint es eine weitverbreitete Praxis zu sein, Zinsen auf Spareinlagen zugunsten wohltätiger Zwecke zu spenden. Steffen Wippel, Berlin

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