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WEU als militärischer Arm der EU

Großer Anspruch – kleine Beschlüsse. Die Herbsttagung der WEU in Erfurt plant einen Militärausschuß der Generalstabschefs für die Beratung im Krisenfall  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – Stärkung der europäischen Stellung auf dem Weltrüstungsmarkt und Schaffung einer von den USA unabhängigen, eigenständigen Handlungsfähigkeit Europas in der Sicherheits- und Militärpolitik – diesem Ziel diente ein Treffen der Außen- und Verteidigungsminister aus 28 Staaten in Erfurt, das gestern abend mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung zu Ende ging. Äußerer Anlaß der zweitägigen Konferenz unter Leitung von Außenminister Klaus Kinkel und Verteidigungsminister Volker Rühe war die Herbsttagung der Westeuropäischen Union (WEU).

Die seit ihrer Gründung 1954 jahrzehntelang weitgehend irrelevante WEU soll zum „militärischen Arm“ der EU ausgebaut werden, künftig eine „Scharnierfunktion“ zwischen EU und Nato wahrnehmen und ein „effizienteres Krisenmanagement“ in Europa ermöglichen. Diese bereits häufig formulierte Absichtserklärungen bestimmte auch die Reden Kinkels, Rühes und ihrer Amtskollegen bei dieser ersten WEU-Ministertagung im Osten.

Konkrete Schritte zur Verwirklichung dieser Absicht blieben allerdings auch in Erfurt dürftig. Bekräftigt wurde der bei früheren Ministertagungen der WEU bereits mehrfach gefaßte Beschluß zum Aufbau einer „Europäischen Rüstungsagentur“ zwecks verbesserter Kooperation auf diesem Sektor. Es wurde beschlossen, bis 1998 einen Militärausschuß der Generalstabschefs einzusetzen, der im Krisenfall für eine schnelle und kompetente militärische Beratung der Politiker zuständig sein soll. Weiterhin wird ab 1999 immer dann, wenn ein WEU-Mitglied in der Europäischen Union die Präsidentschaft antritt, dieses auch in der WEU die Präsidentschaft übernehmen. Die erste Doppelpräsidentschaft in WEU und EU wird damit 1999 auf Deutschland zukommen.

Ein Hinderhins für weitergehende Beschlüsse sind die unterschiedlichen Mitgliedschaften und Beziehungen der 28 versammelten Staaten zu den diversen europäischen beziehungsweise transatlantischen Institutionen. Denselben Status haben die 28 Staaten nur in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren sicherheitspolitische Rolle und Kompetenzen zumindest nach Auffassung einiger der in Erfurt vertretenen Regierungen deutlich gestärkt werden sollten.

Lediglich zehn der 16 Nato- und 15 EU-Staaten sind zugleich Vollmitglieder der WEU: Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal und Spanien. Die drei Nato- Staaten Island, Norwegen und Türkei sind assoziierte Mitglieder der WEU. Die fünf EU-Länder Dänemark, Finnland, Irland, Österreich und Schweden hatten bislang Beobachterstatus und sollen diesen laut Beschluß von Erfurt künftig auf Ministerebene wahrnehmen. Die zehn osteuropäischen Staaten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn sind „assozierte Partner“ der WEU. Sie sollen künftig in Arbeitsgruppen der WEU mitarbeiten können.

Die Möglichkeiten für die EU- und WEU-Mitglieder, in der Sicherheits- und Militärpolitik auch ohne die USA eigenständig zu handeln, sind zudem durch Entscheidungen der Nato-Außenminister 1996 begrenzt worden. Danach können die USA einen Einsatz der militärischen Verbände der westeuropäischen Staaten für eine Mission unter europäischem Kommando jederzeit durch ihr Veto verhindern.

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