: Kratzer im blauen Lack
„Das wird keine schöne Rückfahrt“: Schalke 04 verliert zum Ärger von Trainer Stevens bei Werder Bremen mit 1:2 ■ Von Jochen Grabler
Bremen (taz) – Man mocht' kein Schalker Kicker sein am späten Dienstag abend. Der Gelsenkircher Übungsleiter Huub Stevens hockte vollvermuffelt im Presseraum des Bremer Stadions und dampfte ätzenden Ärger aus: „Wir haben das Spiel in zwei Minuten aus der Hand gegeben. Das war nicht profihaft“, fauchte er in jedes Mikro. „Das kann man sagen, daß ich schlechte Laune habe.“ Und wer die abkriegen würde, war auch klar. „Das wird keine schöne Rückfahrt, glaub mir.“ Nein, man mocht' kein Schalker Kicker sein: Mit 2:1 bei Werder vergeigt, das ginge ja noch, aber wie die Niederlage zustande gekommen war, das hat doch das königsblaue Selbstbewußtsein arg verschrammt.
Die Schalker Seelenpein: Da hatte der Uefa-Cup-Sieger gespielt, der Tabellendritte – beim krisengebeutelten Vorletzten. Da hatte die beste Abwehr der Liga gegen den schlechtesten Sturm gestanden. Da hatte Schalke auch noch 1:0 geführt. Aber dann so was: Zwei Werder-Tore in zwei Minuten, zweimal Vollchaos im Schalker Strafraum – und danach eine geschockte Favoritenmannschaft, die bis zum Schlußpfiff die Schmach kaum wegstecken konnte: aus einem 1:0 ein 1:2 – und so schnell – gegen uns – das kann doch gar nicht sein! Und fortan stand phantasieloser Schalker Brechstangenfußball gegen verhudelte Bremer Konter. Die einen konnten kaum an die Niederlage glauben, die anderen kaum an den Sieg.
Ein Spiel mit Europapokalcharakter hatte Werder-Trainer Wolfgang Sidka versprochen. Und recht behalten, weniger in spielerischer, dafür mehr in kämpferischer Hinsicht, was durchaus zur Kurzweil beitrug. Es wurde gerannt und gegrätscht ohn' Unterlaß, auf beiden Seiten. Entschieden wurde der Kick aber durch die spielerischen Kompensationskräfte. Andreas Herzog saß nach seiner Zehenoperation gipsfüßig auf der einen Bank, Olaf Thon verletzt auf der anderen. Zentrale Frage: Wer schafft es, die kreative Kopflosigkeit am besten wettzumachen? Antwort: Werder.
Sidka hatte die Mannschaft umgebaut, hatte Hany Ramzy, zuletzt Dauergast auf der Bank, auf die rechte Manndeckerseite beordert, hatte dafür den Schweizer Jungstar Raphael Wicky ins Mittelfeld vorgezogen, davor den frischgebackenen U-21-Nationalspieler Torsten Frings gestellt – und plötzlich liefen fast alle Bremer Angriffe über die seit Jahren chronisch schwächelnde rechte Werder-Seite. ein Kombinationstrio, das auch nicht einbrach, als in der 34. Minute Ramzys Gegenspieler Eijkelkamp keineswegs ägyptisch behindert sein erstes Ligator einköpfeln konnte. Zwei Minuten später paßte Frings zu Wicky, der setzte sich zauberhaft durch, flankte butterweich über den Schädel von Linke auf Bode – der Ausgleich. Und wiederum keine zwei Minuten später semmelte Ramzy mit einem Drehschuß die Bremer Führung ins Netz. Glück für Ramzy, dumm gelaufen für die Schalker, die sich fortan – ach, die Nerven! – immer wieder heftigst beim schwachen Referee Fröhlich beschwerten. Als van Hoogdalem in der 57. Minute mit Gelb-Rot vom Platz geschickt wurde, konnte Schalke- Manager Assauer wegen wilder Proteste am Spielfeldrand gleich mitgehen.
Die Nerven: Dabei konnten sich die Schalker bei Fröhlich bedanken, weil der ein astreines Werder- Tor in der 14. Minute wegen angeblicher Abseitsstellung nicht gegeben hatte. Die Nerven: Wer ewig protestiert, konzentriert sich zuwenig aufs Spielen. Oder umgekehrt: Wer spielerisch zuwenig drauf hat, verlegt sich halt aufs Protestieren. So oder so: Schalke minus Thon – verbal stark, aber spielerisch schwach. Bei reichlich Konterchancen hätte Werder noch reichlich Tore schießen können. Aber dafür fehlte es der verunsicherten Fahrstuhl-Combo an Coolness. Die Nerven!
Schalke 04: Lehmann – Müller (80. Anderbrügge) – de Kock, Linke – Held, van Hoogdalem, Nemec, Büskens – Wilmots (68. Klujew) – Goossens, Eijkelkamp (61. Max)
Zuschauer: 26.700; Tore: 0:1 Eijkelkamp (34.), 1:1 Bode (36.), 2:1 Ramzy (39.); Gelb-rote Karte: van Hoogdalem (Schalke) wegen wiederholten Foulspiels (57.)
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