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„Die Regierungen werden unter Druck kommen“

■ Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker bewertet den Beschäftigungsgipfel optimistisch

taz: Was können die EU-Regierungen jetzt tun, was sie vor dem Gipfel nicht konnten?

Juncker: Vor dem Gipfel gab es keine gemeinsamen Beschäftigungsziele. Jetzt stehen die Regierungen unter Erfolgszwang. Sie müssen umsetzen, was sie angekündigt haben. Wir haben konkrete Maßnahmen beschlossen, nicht nur Worthülsen und Literatur, sondern Aktionen, die am Arbeitsmarkt spürbar sein werden.

Einige Regierungen haben sich heftig gegen die Festlegungen gestäubt. Wieso sollten die umsetzen, was sie nicht wirklich wollen?

Alle Regierungen haben zugestimmt. Außerdem wird die Umsetzung jährlich überprüft, damit es nicht bei leeren Versprechungen bleibt. Genau diese Methode wird spürbare Resultate bringen.

Aber es sind keine Sanktionen vorgesehen. Woher soll der Druck kommen?

Die Öffentlichkeit in den Mitgliedstaaten wird Druck ausüben. Die nationalen Aktionspläne werden von den Finanzministern und von den Sozialministern aller 15 Mitgliedstaaten überprüft. Sie werden auch die Qualität der Durchführung kontrollieren. Das Europäische Parlament wird genau hinsehen und auch die Gewerkschaften und Unternehmerverbände werden sich zu Wort melden, wenn Regierungen sich nicht an ihre Zusagen halten. Und nicht zuletzt gibt es da auch eine europäische Presse, die bereits diesen Gipfel sehr kritisch verfolgt hat.

Bundeskanzler Kohl hat unmittelbar nach dem Gipfel gesagt, daß er so weitermachen will wie bisher.

Ich bin auch der Meinung, daß die angefangenen Reformen in Deutschland weitergeführt und zu schlüssigeren Ergebnissen kommen sollen. Wir haben alle festgestellt, daß wir steuerliche Entlastungen brauchen, daß wir eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine Entfettung der administrativen Bevormundung der kleinen und mittelständischen Betriebe brauchen. Wenn Herr Kohl und seine Regierung dabei sind, solche Reformen zu machen, dann liegt das auf unserer Linie. Wenn Sie von mir eine Kritik an Herrn Kohl erwarten, sparen Sie sich den Atem.

Aber Sie wollen doch vor allem die Jugend- und Langzeitarbeitslosen wieder eingliedern?

Das ist es, was mich umtreibt und hoffentlich auch viele andere. Wer längere Zeit arbeitslos ist, befindet sich in einer totalen sozialen Isolation. Er verliert seine Menschenwürde, traut sich selbst nichts mehr zu und stellt fest, daß ihm auch die anderen nichts mehr zutrauen. Deshalb müssen wir ja endlich zu einer aktiven Beschäftigungspolitik kommen, statt nur die Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Die Entfremdung der Arbeitslosen und der Arbeitswelt muß durchbrochen werden.

Einige EU-Regierungen lehnen aktive Beschäftigungspolitik aus Prinzip ab.

Da müssen Sie nicht mit mir, sondern mit einigen Sozialisten in Europa reden...

Sie meinen Tony Blair?

Ich bin strikt dagegen, daß wir in Europa eine wilde Deregulierungspolitik machen. Einige wollten den Beschäftigungsgipfel zu einem Deregulierungsgipfel machen. Das haben wir verhindert. Hätten wir diesen Gipfel vor anderthalb Jahren gemacht, wäre es irrsinnig schwierig gewesen, sich denen in den Weg zu stellen, die den Weg aus der Massenarbeitslosigkeit in der totalen Zerstörung der Arbeitsrechts sehen. Man motiviert Arbeitslose nicht dadurch, daß man den noch Arbeitenden den Schutz stiehlt.

Sie wollen aber nicht sagen, welche Regierungen dieser Meinung waren?

Nein. Interview: Alois Berger

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