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Schwamm übers Paradies

■ Der deutsch-französische Zirkus „Gosh“auf Kampnagel

Den Allmächtigen hat's erwischt. Träge hängt Gott an der Himmelsschaukel, zwei Engelchen pennen hoch oben im Seil. Die letzte Posaune weckt die müden Gotteskinder nur halb auf. Langeweile herrscht im eingemotteten Garten Eden. Doch da naht Rettung aus den irdischen Gefilden. Erst schweben die Streicher heran, dann findet die Band nach einigem Suchen die himmlische Pforte, und Luzifer ist auch eingeladen: Partytime im Paradies!

Die deutsch-französische Gruppe Gosh feiert mit ihrer dritten Produktion mad(e) in paradise eine Zirkus-Fete mit allem, was dazugehört: Clownerie, Jongleur, Tänzchen und Gags, vor allem aber mit Live-Musik und Artistik. Ein Spektakel ist es nicht, denn die sechs Männer und zwei Frauen von Gosh verzichten diesmal auf allzu laute Knalleffekte. Im Gesamteindruck präsentiert sich dieses Fest sanft, fast leise, poetisch und pastellfarben. Es lebt von den kleinen Gesten, winzigen Hüpfern und phantastisch-witzigen Einfällen, die den Bühnenrand mit dem Zentrum verbinden.

Da liefern sich zwei Musiker ein Scheinduell mit Streicherbögen, während Gott inmitten seiner Kuscheltiere ein Ei ausbrütet und Luzifer mit dem Blindenstock die Kämpfer stört – nebenbei rollen Schlagzeugteile auf die Bühne, Gitarre und E-Baß werden hereingereicht. Ach, das waren nur die Aufwärmübungen?

Der Teufel setzt sich mit einem Rockstück anständig in Szene. Doch ansonsten ist auch die Musik eher zurückhaltend. Blues, Chansons, folkloristisch angehauchte Stücke, die mal an Rai, mal an osteuropäische Dorfkapellen erinnern. Das rosenumrankte Klavier untermalt pantomimische Szenen mit Stummfilmsound. Ganz selten wird es auch poppig. Eine ausgewogene Mischung ist den Musikern von Gosh hier gelungen – nichts drängt sich vor, und alles paßt.

Gott ist also nicht tot? Er hat nur geschlafen? Gut, daß Gosh ihn aufgeweckt hat. Jetzt wissen wir wenigstens, daß Er sich mit uns versöhnen will. Daß Er gute Parties liebt und Federboas und Spielzeugelefanten. Und die Geschichte mit dem Apfel und der Schlange? Die hat Er schon längst vergessen. Schwamm drüber, sagt Gosh. Das Tor zum Paradies ist wieder offen.

Barbora Paluskova

bis 14. Dezember, Mi.-So., 20 Uhr, Kampnagel, k6

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