piwik no script img

Chefärzte gegen Abgaben immun

■ Trotz mehrfacher Aufforderung durch das Parlament führen die Chefärzte der Krankenhäuser weniger ab als erwartet. Verwaltung setzt Bestimmungen nur zögernd um

Die Absicht des Parlaments, die Chefärzte für die Behandlung von Privatpatienten an den Kliniken stärker zur Kasse zu bitten, läuft ins Leere. Grund dafür ist die mangelnde Umsetzung des Parlamentsbeschlusses vom September 1996 durch die Wissenschaftsverwaltung. Das geht aus einem Bericht dieser Verwaltung hervor, der bisher noch nicht veröffentlicht wurde. Demnach haben sich nach dem Beschluß im vierten Quartal 96 in den Universitätskliniken Benjamin Franklin und Rudolf Virchow die Abgaben für „Nebentätigkeiten“ von Chefärzten im ambulanten Bereich nur um 0,76 Prozent erhöht. In der Charité waren es 3,28 Prozent. Für die städtischen Krankenhäuser wurde der Beschluß von der Gesundheitsverwaltung erst gar nicht umgesetzt. Heute beschäftigt sich der Hauptausschuß mit dieser Frage. Die Grünen gehen davon aus, daß bei einer vollständigen Umsetzung des Beschlusses rund 20 Millionen Mark durch höhere Abgaben eingenommen werden könnten.

Die 327 Chefärzte in den städtischen Kliniken haben 1996 rund 50 Millionen Mark an Bruttoeinnahmen für sogenannte Nebentätigkeiten kassiert, die 120 Uniklinik- Chefärzte sogar 60 Millionen. Die Ärzte der öffentlichen Häuser führten davon nur rund 21 Millionen Mark ab (42,6 Prozent des Geldes), die der Uniklinika 25 Millionen (41,7 Prozent des Geldes). Im Vergleich: 1995 lag die Abgabe bei 53,4 Prozent (städtische Häuser) und 39,2 Prozent (Uniklinika).

Die Senatsverwaltungen hatten in der Vergangenheit einen ähnlichen Beschluß des Parlaments bereits zweimal ignoriert. Im September 1996 beschloß es wiederum, die Ärzte mehr zahlen zu lassen. Denn bisher konnten die Chefärzte die Apparate der Krankenhäuser nutzen, zahlten aber für deren Anschaffung, Wartung und Verschleiß nur ein geringes Entgelt. Die neue Verordnung sollte diese „Quasi-Subventionierung“ ändern.

Doch besonders in den Bereichen mit extrem teurer medizinischer Technik – Labore, Röntgen, Anästhesie und Pathologie – blieb fast alles beim alten. So muß ein niedergelassener Radiologe für Wartung und Verschleiß seiner Geräte 85 Prozent seiner Einnahmen verwenden. Die Abgabenquote für radiologische Chefärzte am Benjamin-Franklin-Krankenhaus liegt aber bei nur 55 Prozent, weil sie sie nicht so häufig wie ein niedergelassener Arzt nutzen.

Zwei Gründe erklären den Abgaben-Mißerfolg: So wurde nach Angaben von Kerstin Schneider, Sprecherin der Wissenschaftsverwaltung, der stationäre Bereich der Patientenbehandlung aus der Verordnung komplett herausgelassen. Doch dieser macht rund die Hälfte aller Nebeneinnahmen aus. Laut Schneider werden im Gegensatz zum ambulanten Bereich teure Geräte bereits berücksichtigt und so schon höhere Beiträge abgeführt. Und: In der Abgabenordnung heißt es, daß die benutzten Geräte mindestens 150.000 Mark gekostet haben müssen, sonst werden diese von den Angaben verschont. „Wir müßten sonst jedes Gerät bis hin zur Spritze abrechnen, und das wäre nicht angemessen“, erklärt Kerstin Schneider.

Die Wissenschaftsverwaltung kommt in ihrer Analyse zu dem Fazit, daß die „Ertragsteigerungen“ nicht mit den „Erwartungen“ korrespondieren. Jedoch sei der Berichtszeitraum sehr kurz, man müsse die Abrechnungen für 1997 abwarten. „Viel ändern wird sich da nicht“, meint Schneider.

Die Bündnisgrünen fordern jetzt, die Kompetenzen für die Abgaben der Chefärzte von der Wissenschafts- und Gesundheitsverwaltung auf die Finanzverwaltung zu übertragen. „Die hat wenigstens ein Interesse, das Geld einzutreiben“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher Bernd Köppl. Auch Ärtzekammerchef Ellis Huber fordert eine schelle Umsetzung des Beschlusses. Er bezeichnete Chefärzte und Gesundheitsverwaltung als „lehmigen, verfilzten Brei von Leitungskräften, die ihre Pfründe retten wollen“. Julia Naumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen