: Nur über den Geldbeutel
■ Planungsbüro Ubus legt Fibel zur stadtbilderhaltenden Sanierung des Bremer Hauses vor / Identitätsbildende Bauten vor dem Verfall retten
Das Bremer Haus ist etwas Besonderes. Nur 15.000 Exemplare verdienen nach ExpertInnenmeinung heute noch diese Bezeichnung. Was nicht durch den zweiten Weltkrieg zerstört wurde, fiel größtenteils der anschließenden Modernisierungswut zum Opfer. Dabei war in der Regel nicht Desinteresse oder Mutwilligkeit Ursache un-sachgemäßer Renovierung, sondern – wie oft heute noch – Unkenntnis oder der verständliche Wunsch der EigentümerInnen, möglichst billig davonzukommen. Mit einer neuen Fibel will das Planungsbüro Ubus (umweltgerecht bauen und sanieren) HauseignerInnen deshalb bei der Modernisierung beratend zur Seite stehen, Handwerksbetriebe animieren, sich qualifizierter und intensiver als bisher dem Sanierungsmarkt zu öffnen, sowie ArchitektInnen auffordern, die Erhaltung historischer Bausubstanz zu einem Thema zu machen.
„Wir suchen Kooperationspartner, um das Bremer Haus als für die Stadt identitätsbildend zu erhalten“, meint der Autor der Fibel, Carsten H. Meyer. Er selbst hält den Band für eine Art Gebrauchsanweisung für den „pfleglichen Umgang mit dem Bremer Haus“.
Wer durch das Viertel oder Schwachhausen spaziert, gewinnt zuweilen den Eindruck, nach England oder in die Niederlande versetzt zu sein. Das liegt vor allem daran, daß Bremen seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts nicht wie etwa Berlin mit Häuserblocks zugepflastert worden ist. Statt dessen bevorzugten die BremerInnen Ein- bis Zweifamilienreihenhäuser, die in der Regel den BewohnerInnen und nicht den großen Wohnungsbaugesellschaften gehörten. Das wiederum führte nicht nur zu einem besonderen Lebensstil in den Quartieren, sondern zu einem bestimmten Baustil mit harmonisch proportionierten Hausfassaden, klassisch aufgeteilten Fenstern, Stuckapplikationen, Vorgärten, Vorbauten in Form von Veranden oder Wintergärten. Bis hin zu den Vorgartenzäunen bildet jedes Haus ein individuelles Ensemble.
Wieder in die öffentliche Diskussion bringen möchte Meyer das Bremer Haus, weil er in seiner Bestandsaufnahme ein schleichendes Verschwinden dieses Haustyps feststellen mußte. Immer mehr Vorgärten würden versiegelt, die soziale Mischung in den Quartieren drifte auseinander. „Wo die Leute Geld und Augenmaß haben, wird schonend saniert, Quartiere wie Schwachhausen sind bevorzugte Wohngebiete.“In Teilen der Bremer Neustadt führten dagegen Geldmangel oder Unkenntnis der BesitzerInnen zu einem Verlust an Wohn- und Lebensqualität: Bei vielen Billigsanierungen Marke Eigenbau ist nicht nur damit zu rechnen, daß die beabsichtigte Wirkung nicht eintritt. Zwar halten sich die Investitionskosten dann im Rahmen, aber durch das unsachgemäße Modernisieren kann das Haus sogar beachtlich an Wert verlieren.
Hanns-Peter Karl, Vizepräsident der Architektenkammer, weist darauf hin, daß viele Materialien, die als Fassadenverkleidung angebracht werden, zwar ausreichen, die Fassade zu verschandeln, aber keinen wärmedämmenden Effekt haben. „Wir müssen dahin kommen, daß wir technisch hochwertig, ökologisch sinnvoll und stadtbild- erhaltend die notwendigen Modernisierungen durchführen.“
Klaus Stadler, Vorstand der Wohnungsbaugesellschaft Gewoba, unterstützt den Gedanken, daß das Bremer Haus erhalten werden muß. Er glaubt aber, daß das nur über kostengünstige Anreize zu machen ist. „Wer als Privatmensch sein Haus saniert, schaut zuerst auf jeden Pfennig und dann erst auf die Fassade.“
Was den ästhetischen Wert des Bremer Hauses ausmacht, dokumentiert Meyer in seinem Buch umfangreich. Daß ein schleichendes Verschwinden aufgehalten werden muß, wünschen sich viele. Die zündende Idee, wie das zu bewerkstelligen wäre, gibt es aber bislang zwar nicht – immerhin liefert das Buch dazu eine Reihe von Anregungen. schuh
Carsten H. Meyer, „Mehr als nur Fassaden“, Edition Temmen, 133 S., 200 farbige Abb., 39,90 DM
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