piwik no script img

Völkerverständiges Abschieben

CDU verbrüdert sich mit guten Afrikanern, um böse Afrikaner loszuwerden. Kommission soll Identität prüfen, Firma Papiere besorgen  ■ Von Silke Mertins

Die Ausländerbehörde soll eine Oase der Völkerverständigung werden. Eine aus Afro-Hamburgern bestehende Kommission könnte für die staatlichen Stellen die Identitätsfeststellungen afrikanischer Abschiebekandidaten mit „ungeklärter Nationalität“übernehmen. Ein privates Unternehmen soll anschließend die fehlenden Paßersatzpapiere für 8.000 bis 10.000 Mark das Stück besorgen. Diesen Vorschlag unterbreitete gestern der CDU-Fraktionschef Ole von Beust gemeinsam mit dem Verein für Menschenrechte.

Schuld an den Vorurteilen Deutscher gegenüber Schwarzen seien nämlich die Drogendealer. Bei der Bevölkerung „entsteht der Eindruck, daß alle Schwarzen mit Drogen dealen“, klagte von Beust. Er fürchtet deshalb „einen Autoritätsverfall des demokratischen Systems“. Die Folge: Die im Grunde ihres Herzens antirassistischen Deutschen wählen vermehrt rechtsextreme Parteien.

Von dieser Entwicklung ist auch der aus Ghana stammende deutsche Staatsangehörige Anthony Rau, Sprecher des Vereins, „sehr“betroffen. „Wir sind wach geworden und wollen unseren Ruf wiederherstellen“, so Rau. Die 3.000 in Hamburg lebenden Flüchtlinge, die derzeit mangels geklärter Herkunft nicht abgeschoben werden, könnte man auf diese Weise loswerden.

„Wir kennen unsere Leute am besten“, sagte Rau. Anhand der Sprache könne man die Herkunft feststellen. Ein anderes Vereinsmitglied, Frédéric aus Benin, will „schon am Aussehen“die Staatszugehörigkeit feststellen können. Und das, obwohl viele koloniale Landesgrenzen quer durch Ethnien verlaufen. „Wir sind nicht als Denunzianten hier“, betonte Souaga von der Elfenbeinküste. Es gehe bei der Beihilfe zur Abschiebung nur um Völkerverständigung.

Rau und von Beust kritisierten scharf die derzeitige Praxis der Ausländerbehörde. Teilweise versuchten Botschaftsmitglieder lediglich per Telefon, die Identität festzustellen. Insbesondere Gambia hat sich dabei den zweifelhaften Ruf erworben, auf deutschen Druck hin auch Afrikaner aus anderen, nicht abschiebefähigen Ländern zu Gambiern zu erklären (taz berichtete).

Die Regierungsparteien SPD und GAL lehnen den Kommissions-Vorschlag befremdet ab. Zwar sei die „Intention“der CDU „zu begrüßen“, so SPD-Fraktionschef Holger Christier. Doch ob dafür „nicht speziell ausgebildete“Personen „hilfreich“wären, sei eher zweifelhaft. GAL-Vizefraktionschefin Anna Bruns hob hervor, daß Hamburg mit 38 Prozent die höchste Abschiebequote aller Bundesländer hat. Der CDU-Antrag sei „bar jeglichen Sachverstandes und ein groteskes politisches Windei“.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen