: Weil die Schichten sehr dünn sind
■ Zu den Arbeiten von Ingrid Bayer und Beate Treptow in der Schwartz'schen Villa in Steglitz
Wie klein die dunkel gestrichenen Holzskuplturen von Ingrid Bayer wirken, die da auf dem Boden liegen. Einige davon sind keine 10 Zentimeter hoch und gerade mal 30 Zentimeter lang. Den Abbildungen im Katalog nach zu schließen – auf die Maßangaben guckt man ja sowieso nicht –, war etwas anders zu erwarten, was Größeres, Satteres. Damit sie auf dem Boden nicht übersehen werden, hat die Künstlerin einige Objekte auf helle Holzplatten gelegt.
Ihre Kleinheit tut ihrem Reiz keinen Abbruch, im Gegenteil: Die zierlichen Skulpturen wollen aus der Hocke betrachtet werden. Um den Blick über die akkuraten, unterschiedlich hohen Würfel, Quader und Blättchen spazieren zu lassen und das Spiel von Licht und Schatten zu beobachten. Diese abstrakten, manchmal an Landschaften oder Architekturmodelle erinnernden Skulpturen verleiten zum Anfassen, zum Rumschieben und zum Neuordnen. Und das geschieht auch – Ingrid Bayer stellt es mit Erstaunen fest.
Als „rhythmische Strukturfelder“ werden die Arbeiten der Bildhauerin im Katalog charakterisiert. Das ist ziemlich zutreffend. Vor allem im Zusammenhang mit den Skulpturen aus hellem Holz. Da, wo die Künstlerin in Bohlen und Latten einen Zahnschnitt eingesägt und die entstehenden Blätter mit einem Beitel bearbeitet hat. Durch diesen Vorgang entstand, anders als bei den glatten, dunkelgrauen Arbeiten, eine vollkommen zerklüftete Oberfläche, mit Ecken, Zacken oder ganz abgebrochenen Teilen, die sich durch den Zahnschnitt schichtenweise hintereinanderreihen. Weil die Schichten sehr dünn sind, sieht man sie im Gegenlicht noch mehr.
An den Wänden dahinter hängen die Arbeiten von Beate Treptow. Sie gehen gut mit den reduzierten Holzobjekten von Ingrid Bayer zusammen, schließlich ist es auch nicht die erste Ausstellung, die die beiden Künstlerinnen gemeinsam zeigen. Beate Treptow interessiert sich für Industriearchitektur und romanische Kunst, entsprechend arbeitete sie Erscheinungsformen aus beiden Bereichen in ihre vielgeschichten und bemalten Collagen ein: Arbeiten, die von innen nach außen entstehen und – durch Zurechtschneiden – in ihren Umrissen dem Objekt, zum Beispiel einem mittelalterlichen Reliquiar folgen. Nur manchmal ist noch ein Bildträger in Form eines daruntergeklebten Papiers zu erkennen, wenn das Objekt noch nicht wirklich Objekt geworden ist.
Meist haben die Arbeiten eine lange Geschichte. Immer wieder wird zerrissen, geklebt, ausgeschnitten, verworfen und Teile aus verschiedenen Zeichnungen neu zusammengesetzt. Am Ende können dann auch „Edelsteine“ herunterhängen. Aus einer Krone wird eine Batterie oder umgekehrt oder beides. Die Auseinandersetzung mit den historischen Gegenständen findet auf der formalen Ebene statt, nicht inhaltlich. Trotzdem kann es bis zur Fertigstellung Jahre dauern. Cornelia Gerner
Bis 7.12., Galerie in der Schwartz'schen Villa, Grunewaldstraße 55, Steglitz. Öffnungszeiten: Fr./So. 10–18, Sa. 14–18 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen