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Haushalt 1998 – „es geht aufwärts“

■ Etat 1998 nur durch 1,8 Milliarden aus Bonn und Vermögensveräußerungen gedeckt

„Wir haben das Tal der Tränen durchschritten. Es geht aufwärts in und mit der Freien Hansestadt Bremen.“Derart optimistisch stellte Bremens Finanzsenator Hartmut Perschau die Lage in der Haushaltsdebatte des Landesparlaments über den Etat 1998 dar. Aus den Zahlen werde deutlich, „daß wir zentrale Ziele des Sanierungsprogramms erfolgreich umsetzen“.

Als Beispiele für die Erfolge nannte Perschau dann aber nicht Projekte des Investitions-Sonder-Programm (ISP) – die Planungen für Ocean- und Space-Park etwa, die am 30. November hätten vorgelegt werden müssen, spielten in der Haushaltdebatte kaum eine Rolle. Erfolgsbeispiel für Perschau waren die Investitionen des Daimler-Konzerns in Bremen und der staatlich subventionierte Umzug der Siemens-Verwaltung in den Technologiepark an der Uni.

Zum Stand der Verhandlungen über die Fortsetzung der Sanierungshilfen ab 1999 meinte Perschau, die „erste Hürde“sei genommen, da „unser Anspruch auf weitere Hilfen umfassend begründet“worden sei. An anderer Stelle seines Redemanuskriptes, das er wörtlich vortrug, liest sich die Lage anders: „Die Sorge bleibt, daß der bisher erreichte Sanierungserfolg verloren gehen könnte, wenn wir ohne weitere Hilfen die Sanierung nicht zum erfolgreichen Abschluß führen können.“

Für die Finanzierung des Haushaltes 1998 sollen nach einer Aufstellung des Senats insgesamt Vermögenswerte von 777,3 Millionen Mark veräußert werden, zudem fließen die 1,8 Milliarden Mark aus Bonn auf der „Einnahmeseite“ein.

Die AfB-Angeordnete Elke Kröning zählte zusätzliche Risiken in dem Etat 1998 zusammen und kam auf 863 Millionen – einschließlich der Fehlbeträge aus dem Haushalt 1997, die einfach auf das kommende Jahr verschoben werden. Eine „Ausverkaufsorgie“betreibe der Senat zur Deckung der Haushalte, die „der Verschuldungspolitik der vergangenen Jahre in nichts nachsteht“, schimpfte die Frau des früheren SPD-Finanzsenators Volker Kröning. Die Erlöse aus dem Verkauf von Vermögen würden inzwischen nicht mehr als „steuerkraftstärkende“Investitionen verwendet, sondern zum kurzfristigen Stopfen von Haushaltslöchern. Eine Sanierung des Haushaltes erfordere dagegen, die Ausgaben den regulären Einnahmen anzupassen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Weber machte die dauernden „Steuerverschätzungen“für die schlechte Finanzlage Bremens verantwortlich. 5 Milliarden Mark hatte Bremen an Schulden zurückzahlen wollen in den Jahren des Sanierungsprogramms, stattdessen hatte das Land 6,5 Milliarden Einnahmeausfälle zu verkraften. „Damit wird deutlich, daß wir unsere Tilgungsziele nicht einhalten konnten.“Von den 220 Millionen Mark Kredit, die die landeseigene Hibeg auf die geplanten Verkäufe von Gewoba-Anteilen aufgenommen hat, müssen 143 Millionen für den Haushalt 1998 verwendet werden. Beiben nur 73 Millionen Mark für den eigentlichen Zweck übrig, die Tilgung der Kosten, die beim Rettungsversuch für den Vulkan entstanden sind.

Zum Thema Stadtwerke-Verkauf berichtete der SPD-Politiker, ihm habe vor wenigen Tagen der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke und Preag-Chef Harich die Lage auf dem Energiemarkt erklärt. Das sei alles sehr einleuchtend gewesen. Wenn es eine industriepolitische Begründung gebe, sei das etwas anderes als ein Anteils-Verkauf nur zum Stopfen von Haushaltslöchern.

Sehr deutlich trat der Haushaltsexperte der Grünen, Dieter Mützelburg, der „Schönrederei“des Finanzsenators entgegen. „Es wäre ja schön“, meinte der Grüne, aber die Fakten seien anders: Das Land zähle inzwischen 50.000 Arbeitslose, die Zahl der Beschäftigten sei um 4,5 Prozent zurückgegangen in zwei Jahren der großen Koalition, im Bund nur umdrei Prozent. Und auch die Bevölkerungszahl nehme weiter ab, während das Erfolgs-Szenario des Sanierungsprogramms von einem Wachstum ausgehe. Die Projekte des Sanierungsprogramms bezeichnete Mützelburg, der auch Vorsitzender des Haushaltsausschusses ist, als „Verschleuderung der Milliarden aus Bonn“: Das Geld werde „hingeblättert für Projekte, von denen niemand bis heute plausibel machen konnte, daß sie sich rechnen“. Im Falle des Space-Parks wolle der Senat die Planung nicht einmal öffentlich präsentieren. Dabei sei das ISP „nur durch Kredite finanziert“.

Die gezielt verbreitete Hoffnung, die CDU im Senat könne Türen öffnen zur Fortsetzung der Sanierungshilfe, sei, so Mützelburg, „nichts als Gerede“. K.W.

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