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American PieDer Würger von den Golden State Warriors

■ Basketball-Profi Latrell Sprewell kämpft um Reduzierung seiner Einjahressperre

The quartet practiced in the park

Auch eine Woche, nachdem die Basketball-Liga NBA eine einjährige Sperre für Latrell Sprewell verhängt hat, schlägt der Fall noch hohe Wellen. Dabei steht allerdings nicht mehr die Empörung über den Angriff des 27jährigen Spielers von den Golden State Warriors auf seinen Trainer P.J. Carlesimo im Vordergrund, sondern Kritik an der ebenso harschen wie hastigen Reaktion der Liga. „Das ist nur ein weiteres Beispiel, wie die NBA die Rechte der Spieler mißachtet“, sagt der Präsident der Spielergewerkschaft, Patrick Ewing (New York Knicks).

Vor zehn Tagen hatte Sprewell, einer der besten Offensivspieler der NBA in einem der schlechtesten Teams, den neuen Warriors-Coach Carlesimo, mit dem er von Anfang an im Zwist lag, angegriffen und mit beiden Händen gewürgt. Gleichzeitig drohte er, ihn umzubringen, wenn er nicht zu einem anderen Klub wechseln dürfe. Danach verließ Sprewell die Halle, verdarb sich aber den mildernden Umstand einer Affekthandlung, indem er eine Viertelstunde später wiederkam und noch einmal auf den Trainer losging. „Ich konnte die ständigen Beleidigungen nicht mehr ertragen“, sagte der Spieler zu seiner Rechfertigung.

P.J. Carlesimo ist ein Coach der alten Schule, laut, vulgär und diktatorisch. Mit unbequemen Charakteren kommt er überhaupt nicht klar. In Portland vergraulte er die Stars Terry Porter, Rod Strickland, Cliff Robinson und fast auch Isaiah Rider, wenn ihm die Klubführung nicht Einhalt geboten und ihn im Sommer gefeuert hätte. „Er brüllt zuviel“, sagt sein Ex-Spieler Tracy Murray, und Rod Strickland räumt ein: „Es gab Zeiten, da hätte ich ihn auch gern gewürgt.“ Am weitesten ging der für pointierte Äußerungen bekannte Bürgermeister San Franciscos, Willie Brown. „Vielleicht verdiente der Trainer ja, gewürgt zu werden“, sagte der Politiker, der jüngst für Aufsehen sorgte, als er einen Football-Profi der San Francisco 49ers nach einem schlechten Spiel als „Schande für die Menschheit“ bezeichnete.

Niemand rechtfertigt Sprewells Aktion, aber viele kritisieren, daß die NBA den Fall offenkundig für ihre Zwecke instrumentalisiert. „Die Liga läßt ihre Muskeln spielen“, sagt Olden Polynice (Sacramento Kings), und Billy Hunter, Exekutivdirektor der Spielergewerkschaft, mutmaßt: „Sie wollen eine Botschaft an die Spieler schicken, daß sie das Sagen haben.“ Im nächsten Sommer droht der Liga ein Arbeitskampf, und die NBA-Führung nutzt jede Gelegenheit, ihre Macht zu demonstrieren. Es gab Sperren für Spieler, die mit der Polizei in Konflikt kamen, Charles Barkley wurde zum ständigen Mitführen eines Bodyguards verdonnert, nachdem er einen frechen Jüngling durch ein Barfenster geworfen hatte, Torontos Coach bekam eine Geldstrafe, weil er einem betrunkenen Zuschauer den Effenberg-Finger zeigte, und am kuriosesten äußerte sich die Ordnungswut der NBA im „Hosenkrieg“: Junge Spieler von Portland, Philadelphia und Minnesota mußten zahlen, weil ihre Sporthosen zu lang waren. Sprewells Würgegriff kam der NBA in dieser Situation gerade recht.

Nachdem die Warriors zunächst recht gelassen und mit einer Sperre von zehn Spielen auf den Vorfall reagiert hatten, verschärfte sich die Situation drastisch, nachdem der Klub mit der NBA geredet hatte. Sprewells noch drei Jahre gültiger 24-Millionen-Dollar-Vertrag wurde fristlos gekündigt, kurz darauf kam die Sperre. Eine logische Folge, denn sonst wäre Sprewell ja praktisch belohnt worden, weil er wunschgemäß bei einem anderen Team spielen könnte. Zehn Klubs hatten schon ihr Interesse bekundet.

Jetzt bleibt Sprewell bis zum 3. Dezember 1998 nur der Ausweg Europa. Es sei denn, die Klage der Spielergewerkschaft gegen die Sperre hat Erfolg. Die Dienste eines versierten Anwaltes hat sich Sprewell bereits gesichert: Johnnie Cochran jr., der auch O.J. Simpson vertrat. Matti Lieske

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