: Wie die Hamburger für Höheres verloren
■ Taktisch diszipliniert: das 1:2 von St. Pauli in Homburg Champions League greifbar nah – Pokal unerreichbar fern
Wir haben es nicht anders erwartet. Einmal mehr beweist die Medien-Konkurrenz ihre haarsträubende Unkenntnis der taktischen Dimensionen des Fußballsports: „Peinlich“ sei die Niederlage des FC St. Pauli beim Regionalligisten Homburg, urteilte etwa der Saarländische Rundfunk in lokalpratiotischer Verblendung.
Dabei hätte ein Blick auf die aktuelle Bundesliga-Tabelle genügt, um das Geschehene richtig einordnen zu können: Kaum 32 Spieltage vor Saisonende rangiert St. Pauli hinter den Münchener Bayern auf dem zweiten Platz. Und beim Kampf um die Meisterschaft gilt es eben, konzentriert zu Werke zu gehen. Soll doch die bajuwarische Konkurrenz Kraft und Nerven bei der Pokaltingelei über die Dörfer investieren – die Hamburger Profis können die Zeit nutzen, um Videos von künftigen Gegnern wie dem AC Milan zu studieren.
Getreu der geheimen Marschroute, den Gewinn des DFB-Pokals auf das nächste Jahr zu verschieben, tat St. Pauli von Beginn an alles, um den Platz nicht als Sieger zu verlassen: Gekonnte Fehlpässe wetteiferten mit verlorenen Laufduellen. Doch so sehr sich die Hamburger Abwehr auch mühte, den saarländischen Angreifern den Torschuß zu ermöglichen – diese wollten einfach nicht treffen. Und da die Gäste kein Tor schießen durften – gelegentlich schienen sie allerdings ebendies im Schilde zu führen –, ging die Partie in die Verlängerung.
Dort verloren leider einige Spieler die ausgeklügelte Marschrichtung aus dem Blickfeld. Nachdem Holger Stanislawski den Ball so vor die Füße von Sascha Theres gespielt hatte, daß dieser das 1:0 erzielen mußte (104. Minute), und Klaus Thomforde einen Schuß Jacques Goumais (108.) zum 2:0 geschickt unter seinem Körper durchrutschen ließ, verdarb Christian Springer den positiven Eindruck durch einen unüberlegten Kopfball zum Anschlußtreffer (114.). Oliver Schweißing und Michel Dinzey riskierten einiges durch ihre Fernschüsse – schließlich hätte Thomforde noch mehr Durchrutschpartien hinlegen müssen, wäre sein Homburger Pendant Peter Eich nicht so glänzend in Form gewesen.
Auch Jens Scharping und Jouri Savitchev sollte Coach Uli Maslo mal ins Gewissen reden. Zwar zeugt das konsequente Auslassen bester Torchancen von gutem taktischen Verständnis. Künftig sollte jedoch, der höheren Glaubwürdigkeit wegen, wenigstens einmal der Pfosten anvisiert werden. Daß man gleich dreimal aus kürzester Distanz freistehend das Tor verfehlen kann, nimmt einem einfach niemand ab... Christoph Ruf
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