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Die Familie ging immer vor

■ Seit 1974 spielt Jürgen Gronau für den FC St. Pauli / Heute wird er 33 Jahre alt Von Rainer Glitz

Die Zahl 3 scheint für Jürgen Gronau fast schon etwas Mystisches zu haben. Der defensive Mittelfeldspieler des FC St. Pauli trägt sie schon traditionell als Rückennummer, auch in der aktuellen Saison. Seit 1974 ist er im Verein – mehr als 20 Jahre bedeuten Platz 3 in der Treueliste des bezahlten Fußballs. Nur Meppens Frank Faltin und Jens Kunath von Hansa Rostock liegen vor ihm. Damit nicht genug der Zahlenmagie: Heute wird Jürgen Gronau 33 Jahre alt.

Der gebürtige Hamburger, aufgewachsen in Eimsbüttel und der Neustadt, hat alle Höhen und Tiefen des FC St. Pauli miterlebt. Zuletzt, nach vier Jahren in der Zweitklassigkeit, den Aufstieg in die Bundesliga – allerdings von der Tribüne aus. Leistenbruch, eine langwierige Verletzung. „Wenn man nicht spielen würde, weil man von der Leistung her nicht rankommt, wäre das noch deprimierender“, macht Gronau sich Mut.

Runde um Runde quält er sich derzeit im Training, um wieder so fit zu werden wie 1989, als ihn der kicker zum sechstbesten Mittelfeldspieler der Bundesliga kürte. Noch hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, wieder in der Eliteklasse zu spielen, weiß er doch, daß Trainer Uli Maslo Erfahrung schätzt. „Die habe ich wohl“, schmunzelt der Rekonvaleszent, der sich nach 91 Bundesligaeinsätzen, über 200 Spielen in der zweiten Liga und 16 Punktspieltoren zum „Inventar des FC St. Pauli“ zählt und vom Verein für seine Treue eine Auszeichnung in Gold erhielt.

Sponsoren, Präsidenten und Trainer wechselten, die fleißige Arbeitsbiene Gronau blieb. Die Familie war ihm stets wichtiger als verlockende Angebote. Beim ersten nahm er Rücksicht auf Ehefrau Gabriele, die nach der Geburt des Sohnes nicht aus Hamburg weg wollte. Dann kam dem mittlerweile zweifachen Vater die frisch erworbene Eigentumswohnung dazwischen. „Da wollten wir nicht alles stehen und liegen lassen.“ Seinen Eltern gegenüber mußte er sich oft rechtfertigen, weshalb er nicht gewechselt sei, obwohl es bei anderen Klubs mehr zu verdienen gab. „Vielleicht hätte ich hinterher ein ruhigeres Leben gehabt, aber ich scheue mich auch nicht, wieder in ein normales Arbeitsverhältnis einzutreten.“ Die Füße auf den Tisch zu legen und „zu gucken, wie die Sonne aufgeht“, ist nicht Gronaus Art. Er vergleicht sich selbst mit einem Lottomillionär, der aus Langeweile weiter malochen geht.

Ist zum Saisonende Schluß?

Seinen Vertrag verlängerte Gronau mit Manager Jürgen Wähling im April bis 1996 – per Handschlag und mit der Option auf ein weiteres Jahr. „Wenn's diese Saison ganz beschissen läuft, muß ich mal überlegen, ob ich das nächste Jahr noch mache“, denkt Jürgen Gronau schon darüber nach, mit dem Profifußball aufzuhören. Ein Wechsel in die Regionalliga, wie ihn die „ehemaligen Kollegen“ Leo Manzi (St. Pauli), Klaus Ottens (VfL 93) oder Bernhard Olck (Norderstedt) vollzogen haben, kommt für ihn nicht in Frage. „Von denen habe ich gehört, daß für ehemalige Profis höhere Maßstäbe angesetzt werden“, weiß Gronau, „der Druck ist noch immer ziemlich groß.“ Und fast ein wenig melancholisch fügt er hinzu: „Ich habe eigentlich vor, meine Laufbahn hier zu beenden.“

Für den Tag X hat der gelernte Stahl- und Betonbauer noch keine konkreten Pläne. Vielleicht nutzt ihm seine Umschulung zum Bürokaufmann doch noch einmal, aber bei einem Sponsor „irgendwie reinzurutschen“ ist wohl eine eher vage Perspektive. Realistischer ist für Jürgen Gronau der klassische Weg vieler Ex-Profis: die Ausbildung zum Trainer. Die Unterlagen für den Lehrgang in Köln hat er schon fast zusammen. „Das will ich auf jeden Fall machen, unabhängig davon, ob ich in dieses Metier irgendwann einsteige.“

Und wenn, dann am liebsten in der Jugendabteilung des FC St. Pauli, aus der er selbst hervorging. Gronau hat bereits beim Präsidium angefragt. „Man hatte mir gesagt, man weiß nicht, was in zwei Jahren ist, man könnte es mir nicht hundertprozentig zusichern.“ Zumindest also keine falschen Versprechungen wie dereinst im Fall Jan Kocian. Doch einen zweiten Jugendtrainer neben Joachim Philipkowski wird sich St. Pauli auch in Zukunft kaum leisten können. Es geht am Millerntor halt nicht so zu wie beim FC Bayern München, dessen großer Fan Gronau ist. Seinem Lieblingsspieler Gerd Müller haben sie nach dessen Karriereende in den Trainerstab übernommen.

Heute um 19.30 Uhr spielt der FC St. Pauli im DFB-Pokal beim Zweitliga-Absteiger FC Homburg.

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