piwik no script img

„Strafrechtlich relevante“Spitze

■ Die Reviere Lerchenstraße und Davidwache haben die dicksten Akten im Untersuchungsbericht über den Hamburger Polizeiskandal

Die Liste ist lang: Satte 121 Seiten seines Abschlußberichts hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuß Hamburger Polizei (PUA) der Wache 16 in der Lerchenstraße gewidmet. Es ist das dickste Kapitel in dem 1200 Seiten umfassenden Bericht, mit dessen Veröffentlichung am 13. November 1996 der Hamburger Polizeiskandal zu den Akten gelegt wurde.

Anfang der 90er Jahre wurden von der taz hamburg, danach auch von anderen Hamburger Medien und schließlich in einem Bericht von amnesty international schwere Anschuldigungen gegen die Wache auf St. Pauli erhoben. Gegen 286 Polizisten, vor allem gegen Angehörige der Spezialeinheit E (E-Schicht), wurden bis September 1994 Vorwürfe wegen strafbarer Handlungen laut; damit belegt die Wache 16 laut PUA den zweiten Platz in der Rangliste der „strafrechtlich relevanten Vorwürfe“hinter der Davidwache (PRW 15) mit 333 Anschuldigungen. „Bei den wegen Körperverletzung (im Amt) erhobenen Vorwürfen“hält das Revier Lerchenstraße mit 230 Fällen den Spitzenplatz vor der Davidwache mit 203 Fällen. In beiden Ranglisten langt es für die ebenfalls berüchtige Wache 11 am Hauptbahnhof mit 238 bzw. 105 Beschuldigten lediglich zum dritten Platz.

In 112 Fällen hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen Beamte eingeleitet, zumeist wegen Beleidigungen und behaupteter Mißhandlungen. In 40 Prozent der im PUA-Bericht dokumentierten Fälle handelte es sich bei den Opfern um AusländerInnen, bei den meisten weiteren um Personen „mit links-autonomem Bezug“aus dem Schanzenviertel oder der Rote-Flora-Szene. Sämtliche Ermittlungsverfahren wurden von der Staatsanwaltschaft ohne Ergebnis eingestellt.

Nachdem die taz hamburg am 8. September 1994 durch die Veröffentlichung des Falles Dialle D. den Hamburger Polizeiskandal aufdeckte, wurden hinsichtlich der Wache 16 sämtliche eingestellten Verfahren durch eine Sonderkommission der Justizbehörde überprüft und etliche beanstandet.

Im PUA-Bericht heißt es zusammenfassend wörtlich: „Aus dem vorliegenden Material ergibt sich, daß in einigen Fällen (...) Polizeibeamte der PRW 16/E-Schicht in unverhältnismäßiger oder ungerechtfertigter Weise Gewalt angewendet haben dürften. Die Geschädigten haben deswegen Schadensersatz von der Freien und Hansestadt Hamburg erhalten. Daß die konkreten Taten einzelnen Polizeibeamten strafrechtlich nicht (mehr) nachgewiesen werden konnten, steht diesem Ergebnis – wegen der genannten Ermittlungsschwächen sowie aufgrund der grundsätzlich notwendigen individuellen Zurechnung der Taten im Strafrecht – nicht entgegen“. smv

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen