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Unterm Strich

Herzog? Find' ich gut. Das hat jetzt auch Johanno Strasser gesagt, stellvertretender Präsident des Deutschen PEN-Zentrums. Er bezeichnete es anläßlich Herzogs Rede zum 200. Geburtstag Heinrich Heines als „sehr erfreulich“, daß sich langsam wieder die Meinung durchsetze, „daß wir eine kritische Auseinandersetzung brauchen, um nicht zu erlahmen“. Er hoffe allerdings auch, daß Politiker, die mehr kritische Intellektuelle forderten, auch dabei blieben, „wenn kritische Äußerungen mal nicht so bequem“ seien. Die Kursnotierungen für das kritische Wort sieht Strasser jedenfalls auf dem aufsteigenden Ast. Auffällig ist seiner Ansicht nach, daß Intellektuelle seit der kritischen Paulskirchen-Rede von Günter Grass in Deutschland wieder mehr Konjunktur hätten. Ein paar Probleme gibt es aber noch. Es hören nämlich nicht alle hin. Es bestehe das Problem des Gehörtwerdens, durch andere wiederum ist Herzogs Ruck noch nicht hindurchgegangen. „Es gibt zwar durchaus einige, die abgeschlafft sind“, sagte Strasser, „viel öfter gibt es aber den Fall, daß Intellektuelle öffentlich zwar Position beziehen, aber einfach nicht gehört werden.“ Unser Reden seit langem. Ja, hört uns denn keiner?

Trouble in Leipzig – und das alles wegen eines Hirsches. Und das kam so: Die Artco Galerie Leipzig stellt in ihrem Projektraum in der Rosa-Luxemburg- Straße 19/21 die Arbeiten des Berliner Künstlers Sergej A. Dott unter dem Titel „Sodomir und die vier Jahreszeiten“ aus. „Die Ausstellung“, heißt es in einem Papier der Galerie, „besteht im wesentlichen aus vier großen Bildtafeln, die die vier Jahreszeiten darstellen. Auf diesen Tafeln wiederholt sich die Darstellung von zwei Frauen und zwei Männern und einem Hirsch, grob wiedergegeben durch geformte, leuchtende Neonröhren.“ Das klingt alles nicht unbedingt aufregend, aber auf jeden Fall nach Kunst. Künstlers Schaffen hat nun Anstoß erregt, und zwar bei der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). „Wir sind der Meinung“, schreiben sie, „daß es sich besonders bei der Darstellung an der rechten Schaufensterseite (weibliche Figur mit Hund) um Pornographie im Sinne des Paragraphen 184 Absatz III, Ziffer 2 StGB handelt (Darstellung sexueller Handlung von Menschen mit Tieren).“ Antößig finden die ASF-Frauen, daß das Werk von der Straße aus, also auch von Kindern, einsehbar ist. Daß das Ganze ausgerechnet im SPD-Haus gezeigt wird, ärgert sie außerdem. Sie fordern die Entfernung der Ausstellung. „Muß die SPD nun zur Zensur greifen und sich hilfesuchend an die Staatsanwaltschaft wenden?“ fragen die Galeristen. Am Donnerstag um 20 Uhr soll öffentlich über diese und andere Fragen zu den Dottschen Tieren gestritten werden. Eins kann schon jetzt geklärt werden. Es handelt sich um einen Hirschen, nicht um einen Hund. Bezüglich des Paragraphen macht das aber keinen Unterschied.

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