Guyanas Inder wählen Weiße

Gebürtige US-Linke Janet Jagan wird im südamerikanischen Guyana vermutlich neue Staatspräsidentin  ■ Von Sven Hansen

Bei den Wahlen im südamerikanischen Karibikstaat Guyana liegt die gebürtige US- Amerikanerin und Präsidentenwitwe Janet Jagan in Führung. Nach Auszählung von 29 Prozent der Stimmen entfielen bis gestern früh auf die in Chicago geborene frühere Krankenschwester jüdischer Abstammung 51 Prozent der Stimmen. Die 77jährige amtiert schon seit dem Tod ihres Mannes, des Präsidenten Cheddi Jagan, im März als Premier. Sein Vorgänger, der 68jährige Desmond Hoyte, liegt mit 46 Prozent auf Rang zwei. Die Beteiligung an den Wahlen am Montag lag bei 80 Prozent.

In dem einzigen englischsprachigen Land Südamerikas wird Janet Jagan vor allem von der indischstämmigen Bevölkerungsmehrheit, den Nachkommen von Zuckerrohrarbeitern, favorisiert. In dem Staat mit 750.000 Einwohnern von der Größe Großbritanniens, dem westlichsten der „drei Guyanas“ an der Grenze zu Venezuela, stellen die Nachkommen schwarzer Sklaven mit 40 Prozent die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe. Sie tendieren mehrheitlich zum konservativen Afroguyanesen Hoyte. Darüber hinaus besteht die Bevölkerung aus Indios, Portugiesen und Chinesen.

Trotz ihrer Herkunft und ihres US-Dialekts gehört Janet Jagan zum politischen Urgestein des Landes. 1943 hatte die Sozialistin Janet Rosenberg den indischstämmigen Cheddi Jagan geheiratet, der in den USA Zahnmedizin studierte. Im gleichen Jahr kehrte sie mit ihm nach Guyana zurück, organisierte Zuckerarbeiter und Streiks und kämpfte für die Unabhängigkeit des Landes.

Mit ihrem Mann gründete sie die Progressive Volkspartei, die sich an Moskau orientierte und Großbritannien und den USA ein Dorn im Auge war. 1955 gewann Cheddi Jagan die Wahlen, wurde jedoch mit seiner Frau von den Briten ins Gefängnis gesteckt. In den 60er Jahren konnten nur von der CIA inszenierte Rassenunruhen und eine Wahlrechtsänderung verhindern, daß Jagan erster Präsident des 1996 unabhängig gewordenen Landes wurde. Der ressourcenreiche und dünnbesiedelte Urwaldstaat verwandelte sich unter dem von den USA gestützten Diktator Forbes Burnham in ein korruptes Armenhaus.

1992 wurde Cheddi Jagan nach den ersten freien Wahlen Präsident. Seine Frau, bis dahin Abgeordnete im Parlament, wurde UNO-Botschafterin. Im jetzigen Wahlkampf versprach die zur Sozialdemokratin gewandelte Witwe, sich für die Bedürfnisse der kleinen Leute einzusetzen. Sie verwies darauf, daß unter ihrer Partei 30.000 neue Stellen geschaffen wurden und die Auslandsverschuldung reduziert werden konnte. Ihr Gegner Hoyte warf der Regierung Korruption vor und versprach, mehr Investoren ins Land zu holen.

Das Verhältnis Jagans zu ihrer früheren Heimat USA ist inzwischen entspannter. US-Präsident Bill Clinton kommentierte das gute Abschneiden der 77jährigen mit den Worten: „Ich bin beeindruckt.“