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Tschüß denn

Hab ich dir ja schon erzählt, daß neuerdings der ehemalige Herr Voscherau und auch der ehemalige Herr Schmidt immer öfter an mein' Kiosk komm'. Da hätte so schön was aus werden könn', weil ja ein Promi den nächsten nachzieht. Und der Herr mitte schwarze Sonn'brille, der vier extradicke Currywürste habn wollte, war natürlich Herr Schröder, der Herr Schmidt so Wirtschafts-Tips ausse Nase ziehn wollte. Aber der hat sich erstmal –n halbes Pfund Schnupftabak reingezogen und gebrummt: „Nur gegen Honorar!“Und als ich denn noch zu Old Gerhard, dass ich ihn keine Curries und Bulletten, sondern bloß geistige Nahrung in Form von Illustrierte und Bierdosen anbieten kann, ist er ziemlich sauer gewesen und hat geknurrt: „Wenn man eine Journalistin zur Ehefrau hat, braucht man keine Illustrierte!“Wie gesagt, sonst hat das Geschäft aber gebrummt, so daß ich der einzige Unternehmer in unse Hansestadt bin, wo das wirtschaftlich aufwärts geht. Und hab ich mir schon überlegt, ob ich anbau, da brach das Schicksal über mich rein, und zwar in Form von Kündigung! Ja, du hast richtig gehört, mein Laden und ich solln abgewickelt werden! Denn der Grund und Boden, wo ich meine Exestenz auf gegründet hab, ist Eigentum der Freien und Hansestadt. Hat der Herr Runde mir persönlich mitgeteilt. Ich find das ja stark, dass er selber gekomm' ist und nicht irgendein' Staatssekretär geschickt hat. Hat er mir auch genau erklärt, dass ihn das inne Seele wetut, aber muß auch der einfache Bürger mal de Zähne zusamm'beißen und durche Krise durch. Jedenfalls, meine Kiosk-Miete bringt kaum was für de Verminderung vonne Hamburger Schulden. Und wenn se diesen Platz an Aldi oder an diese Hamburger Mäcks verpachten, denn spring' da schon ganz andere Summ' raus. Und könn' se dafür schon wieder ein' Sozialarbeiter für Wilhelmsburg einstelln. Klar, sag ich, ich opfere meine Exestenz gerne für meine Vaterstadt. Und Herr Honecker hat seinerzeit ganz annere Verluste hinnehm' müssen, als se de DDR ab- gewickelt habn... Aber was ist mit meine Kundschaft? Wo solln de Herren Schmidt und Voscherau zukünftig ihrn Kontakt mit den Volke pflegen? Und was ist mitte geistige Heimat von Revierförster Noske und Studienrat Arnold? Wo bleibt de Junglürikerin Nele Hütlein? Wo können Jung- unternehmer Aschler und Harald der Berber über alle Klassenschranken weg kommuneziern? „Ach“, sagt Herr Runde, „es ist nun mal leider so, lieber Kalle, daß die wirtschaftlichen Belange Vorrang haben. Aber wie wär's, wenn Sie Ihre Stammkunden alle nochmal einladen? Und das innige Weihnachtsfest bietet sich für so was doch geradezu an!“Aber ich mach mich strafbar, wenn in unmittelbare Nähe von mein Kiosk alkoholische Getränke konsumiert werden oder wenn man vor mein' Tresen frisch zubereitete Speisen zu sich nimmt. Und nu sagen Sie mal selber, Herr Bürgermeister: Was ist ne Feier ohne paar Schiefe, ohne heiße Curries, Kottletts und Frickadellen? Er guckt mich lange an, und denn sagt er: „Ich werde mich persönlich dafür einsetzen bei den entsprechenden Dienst-stellen, daß in diesem Fall eine Ausnahme gemacht wird. Schließlich ist es Ihre Abschiedsfeier ... und außerdem ist Weihnachten.“Ja, und wie er das so sagt, hat er tatsächlich Trän' inne Augen. Klar, ich hab ihn denn getröstet.. Und auch euch wünsch ich alles Gute für de Zukunft und FROHE WEIHNACHTEN! Tschüß denn also ... Euer Kalle!

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