■ Weinprobe
: Weiße Weihnacht, roter Italiener

Auch ökologisch korrekte Zeitgenossen trinken Wein – ökologisch angebauten, versteht sich. Leider ist das Kriterium des ökologischen Anbaus häufig das allein ausschlaggebende – das Genußerlebnis hat nachgeordnete Bedeutung. Mag der Wein nach Essig riechen, sauer oder lasch schmecken – egal, Hauptsache öko. Genußfeindliche protestantische Ethik.

Diese ökologisch hochbewußten, geschmacklich aber, gelinde gesagt, entwicklungsfähigen Konsumenten sind die Zielgruppe vieler Ökoweinproduzenten, die sich folglich wenig Mühe geben müssen um die Geschmacksqualitäten ihrer Produkte. Was dazu führt, daß unter Weinfreunden, denen Weingenuß sensorisches Vergnügen, ja Kulturerlebnis ist, Ökowein einen zweifelhaften Ruf genießt. Nicht immer zu Recht, wie zu zeigen sein wird. Dottore Giovanni Battista d'Orsi kennt das Problem. Der Inhaber des Weinguts Casaloste im Toskanadörfchen Panzano löst es ebenso undogmatisch wie kreativ: Großabnehmer können wählen, ob sie seinen Chianti Classico mit oder ohne Öko-Siegel auf dem Etikett erwerben wollen.

Ob Siegel oder nicht – aus ökologischem Anbau, zertifiziert durch den italienischen Bio-Bauernverband A.I.A.B., sind die Weine von Casaloste in jedem Fall. Aber das allein würde sie noch nicht erwähnenswert machen. Erwähnenswert ist vielmehr die Erfolgsstory des Gutes und seines Besitzers. 1992 kaufte d'Orsi den Hof mit nur knapp sieben Hektar Weinbergfläche. Sein Motto: Klein sein, um großen Wein zu machen. Er unternahm alles, um binnen kürzestmöglicher Zeit die Qualität des Weins auf Weltniveau zu steigern. Dazu gehörte die Umstellung auf biologischen Anbau, extrem kurzer Rebschnitt zur Begrenzung des Ertrags und eine Mischung aus High-Tech und Tradition im Keller. Die Gärung erfolgt in Stahltanks bei kontrollierter Temperatur. Danach lagert der Wein, der vollständig aus der Sangiovesetraube gekeltert wird, zwei Jahre in neuen Eichenfässern; zunächst in großen, dann in den kleinen barriques.

1996 kamen die ersten Erzeugnisse von Casaloste, 34.000 Flaschen des 1993er Jahrgangs, auf den Markt. Mit Erfolg. Die einschlägige internationale Weinpresse stellte sie sogleich in eine Reihe mit den hochrennomierten Produkten der Güter der toskanischen Nachbarn. Dottore d'Orsis Chianti Classico, jetzt aus dem herausragenden Jahrgang 1995 erhältlich, ist ein süffiger, gleichwohl eleganter Wein, nicht so männlich-kantig und tanninrauh wie viele seiner Kollegen. Er strebt eher nach Tiefgang, ja Spiritualität – passend zum Fest der Liebe. Einen Weihnachtsbraten vom Lamm, Kaninchen oder auch vom Rind (alles natürlich vom Bio-Fleischer, weil's besser schmeckt) wird er kongenial begleiten, und soll das Weihnachtsmenü fleischlos sein, paßt der Casaloste vorzüglich zum Finale aus Pecorino oder Parmesan. Eberhard Schäfer

Der Chianti Classico Casaloste 1995 kostet 19,80 DM bei „La Tana dei Briganti“ in der Oranienstraße 169 in Kreuzberg, Tel./ Fax: 6148501, als 1994er Riserva, die noch mehr meditative Tiefe verspricht, ca. 35 Mark (das ist übrigens innerhalb des normalen Preisrahmens für Chianti Classico gehobener Qualität).