■ Kim Dae Jung gewinnt die Präsidentschaftswahlen in Süd-Korea: Herkules gesucht
Mit dem Wahlsieg Kim Dae Jungs beginnt in Süd- Korea eine neue Ära. Doch nicht deshalb, weil erstmals in der Geschichte des Landes ein Kandidat der Opposition ins Blaue Haus, den Präsidentensitz, einziehen wird. Als ewiger Oppositioneller war Kim auch Teil des bisherigen Systems. Das Neue an der jetzigen Situation ist vielmehr, daß erstmals ein ausgewiesener Demokrat ohne Mehrheit in Bevölkerung und Parlament einem drakonischen IWF-Sanierungsprogramm vorsteht, an dessen Ende in Süd-Koreas Wirtschaft kaum noch etwas so sein wird wie bisher.
Auf den ersten Blick bedeutet der Wahlsieg Kims, daß sich Süd-Korea inmitten seiner schwersten Währungs- und Finanzkrise für die Stärkung der Demokratie ausgesprochen hat. Doch das heißt nicht, daß Kim die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat. Der Wahlausgang war äußerst knapp. Kim profitierte vor allem davon, daß die 57 Prozent der Stimmen des Regierungslagers auf zwei Kandidaten verteilt waren. Dies mag ausgleichende Gerechtigkeit für vergangene Niederlagen Kims sein, als die Regierung von der Spaltung der Opposition profitierte. Trotzdem ist Kim jetzt mit einem Parlament konfrontiert, in dem die bisherige Regierungspartei noch für drei Jahre die Mehrheit stellt.
Vor dem neuen Präsidenten liegt die Herkulesaufgabe, den in seinem Stolz tief verletzten Tigerstaat aus der Wirtschaftskrise zu führen. Das vom IWF diktierte Wirtschaftsprogramm zielt auf die Entflechtung von Politik, Bürokratie und Wirtschaftskonglomeraten und trifft damit ins Mark des südkoreanischen Wirtschaftssystems. Haben die engen Verflechtungen früher zu Süd-Koreas Erfolg beigetragen, so sind sie jetzt für die Krise verantwortlich. Während die Entflechtung der Konglomerate mit hohen sozialen Kosten einhergeht, kann sie dennoch zur Pluralisierung der Gesellschaft und damit zur Stärkung der Demokratie beitragen.
Kims künftiger Wirtschaftskurs ist so unklar wie sein Alter, über das im Wahlkampf nur spekuliert werden konnte. Vielleicht wird er die Sorgen und Nöte der kleinen Leute besser verstehen als seine Vorgänger. Doch gelingt es ihm nicht, einen gesellschaftlichen Reformkonsens herzustellen, droht er zwischen den Chefetagen der Konglomerate und den Straßenprotesten der Gewerkschaften zerrieben zu werden. Dann könnte die neue Ära Kim so enden wie die des bisherigen Amtsinhabers Kim Young Sam, der sich am Ende seiner Amtszeit mit weinerlicher Stimme beim Volk entschuldigte. Sven Hansen
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