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Traurige Triebwirtschaft

■ Lutz von Rosenberg Lipinsky mit seinem Kabarettprogramm „Kommen & gehen“

Ein Thema bewegt die Menschheit seit Adam und Eva: Sex. Und weil bald Weihnachten ist und der Schwachsinn mit der unbefleckten Empfängnis wieder Hochkonjunktur hat, ist es ratsam, auf andere Gedanken zu kommen. Lutz von Rosenberg Lipinsky hat erkannt, daß die Liebe zur Triebwirtschaft verkommen ist. Und weil er Kabarettist ist, kann er sich den Luxus leisten, das Publikum an seinen Neurosen teilhaben zu lassen. „Wir Deutschen stellen uns doch immer wegen irgendetwas an: Supermarkt, Autobahn, Abendkasse oder Libido, wir sind immer im Stau. Das ,Weg!' ist das Ziel.“

Unter „Kabarett“fallen so viele Facetten des Lustigen zusammen, daß es bisweilen schwer fällt, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Alles, was witzig zumindest sein will, darf in der SchlapplacHHalde auf die Bühne. Dabei laufen dem neckischen Etablissement seit geraumer Zeit die Kunden davon. Die Kulturbehörde kürzt ihre Subventionen, das Kabarett ist in der Krise.

Lutz von Rosenberg Lipinsky, der die SchlapplacHHalde einst mit Hans Peter Reutter aus der Taufe gehoben hat, verbreitete seine Reflexionen über das Deutschsein bereits auf diversen Fernsehkanälen. Da wechseln sich kleine, hinterhältige Formulierungen mit unverschämten Rundumschlägen ab; das Ganze verpackt in der Verbalakrobatik intellektuellen Leidens. Der germanisch-depressive Kabarettist nutzt bisweilen die Unschärfe der deutschen Sprache, um nicht nur kleinbürgerliches Denken zu sezieren, sondern auch, um dem doofen Kabarettpublikum endlich den Spiegel vorzuhalten.

Sein Programm Kommen & gehen, mit dem er in der SchlapplacHHalde auftritt, ist die ultimative Abrechnung eines allein Stehenden (!), der mit den Ritualen der Liebe abrechnet. Was bleibt, ist die entmutigende Erkenntnis, daß wir alle so fremd gehen müssen, wie wir gekommen sind. Der Zyniker hat's begriffen: Dieses Land ist zum Stillstand gekommen. Da hilft auch kein Zynismus.

Carsten Hansen

Donnerstag, 25. Dezember bis Samstag, 3. Januar, jeweils 20.30 Uhr, SchlapplacHHalde, Rentzelstr. 17

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