: Sieg für Kwasniewski
■ Polens Regierung verfehlt Mehrheit bei Abstimmung über zwei Vetos des Präsidenten
Warschau (taz) – In Polen wird das politische Klima immer frostiger: Die seit Herbst vergangenen Jahres amtierende Mitte-Rechts- Regierung und der postkommunistische Präsident verstehen sich nicht. Am Dienstag brach der Konflikt offen aus. Die Regierung mußte gleich zwei Niederlagen hintereinander einstecken. Die noch wenig gefestigte Koalition aus Konservativen und Liberalen hatte als erstes das Abtreibungsrecht verschärft. Zugleich hatte sie aber auch in den Schulen das Fach „Sexualkunde“ abschaffen wollen.
Staatspräsident Alexander Kwasniewski hingegen fand das Gesetz wenig sinnvoll. Je weniger die Jugendlichen über Sex wüßten, so erklärte er, um so eher komme es doch zu Abtreibungen. Er legte ein Veto ein. Bei der Abstimmung fehlten den Koalitionsparteien dann sieben Stimmen, um das Veto abzuschmettern. Jetzt wird es an den Schulen also doch Sexualerziehung geben.
Doch damit nicht genug. Auch der zweite Versuch, ein Veto zu überstimmen, ging für die Regierung negativ aus. Die Renten für Berufssoldaten sollten künftig nur noch so schnell steigen, wie die der Beamten in Zivil. Damit wollte die Regierung umgerechnet knapp 200 Millionen Mark sparen. Kwasniewski aber verteidigte die hohen Renten. Berufssoldaten und Polizisten seien „einen gewissen Lebensstandard gewöhnt“. Und diesen dürfe man nicht absenken. Denn Soldaten und Polizisten arbeiteten schwereren als Ärzte und Krankenschwestern. Finanzminister Leszek Balcerowicz war außer sich: Er warf dem Präsidenten vor, daß dieser nur ein „Relikt des kommunistischen Volks-Polens“ retten wolle. Die Abstimmung verlor die Regierung. Zur erforderlichen Dreifünftelmehrheit fehlten ihr neun Stimmen.
Ministerpräsident Jerzy Buzek erklärte nach der Doppelniederlage, daß er sich zu Beginn seiner Amtszeit eine gute Zusammenarbeit mit dem Präsidenten gewünscht habe. Nun aber mische sich der Präsident in die Haushaltsplanung ein. Das Geld, das die Regierung in Schule und Armee einsparen wollte, hatte eigentlich den Hochwasseropfern vom Sommer dieses Jahres zugute kommen sollen. Und ein Teil davon sollte auch für die Reform des Gesundheitssystems verwendet werden. Die Regierung müsse nun entweder an einer anderen Stelle sparen oder aber die Steuern erhöhen.
Das „gute Verhältnis zum Präsidenten“ scheint aber Buzek selbst aufs Spiel gesetzt zu haben. Denn über sieben Jahre hinweg war es in Polen üblich gewesen, daß die Regierung den Präsidenten und seine Mitarbeiter zu wichtigen Sitzungen einlud. Diese Tradition will Jerzy Buzek offenbar nicht weiterführen. Im Gegenteil. Ein Mitarbeiter der Präsidialkanzlei erklärte, daß Buzek dem Präsidenten in einem Brief mitgeteilt habe, daß er es nicht für notwendig erachte, den Präsidenten zu den Regierungssitzungen einzuladen. Buzek werde den Präsidenten aber auf dem laufenden halten.
Beobachter der politischen Szene in Polen mutmaßen nun, daß es möglicherweise zu dem einen oder anderen Veto gar nicht gekommen wäre, wenn Regierungschef und Präsident sich öfter getroffen hätten. Gabriele Lesser
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