: Nicht nur Jux auf dem JUKß-Umweltkongreß
■ Aktionen und Workshops junger Umweltschützer, aber auch massive Kritik
Münster (taz) – „Der erste Schritt auf die Stoßstange, der zweite Schritt auf den Rand der Kühlerhaube. Achtung – nicht auf die Kante der Motorhaube treten. Das gibt garantiert eine Delle.“ Michael Hartmann hatte viele ZuhörerInnen, als er am Mittwoch auf dem Jugendumweltkongreß (JUKß) in Münster-Hilturp einen Grundkurs in Carwalking gab.
Eine softere Variante der Verkehrsberuhigung, das Streetworking, probierten die Teilnehmenden gleich vor der Kongreßhalle aus. Um die AutorfahrerInnen zur Drosselung der Geschwindigkeit zu zwingen, betraten sie im Schneckentempo diagonal die Straße, bis die Polizei mit Personalienfeststellungen dem Treiben ein Ende setzte.
Wenige Straßen weiter füllten Jugendliche CO2-Abgase in blaue Müllsäcke und türmten sie dann zu drei Bergen, die die in Indien, Deutschland und Schottland jährlich in die Luft geblasenen Abgase symbolisieren sollten. Eine andere Gruppe verteilte vor Fleischerläden Flugblätter, in denen KonsumentInnen die Nachteile der Massentierhaltung und die Vorzüge von Biofleisch nahegebracht wurden. Die Aktionen waren Teil des umfangreichen Programms, mit dem sich der JUKß am Mittwoch in Münster getreu seinem diesjährigen Motto „Stadt und Land – wir gestalten die Zukunft“ präsentierte.
Über hundert Arbeitskreise, Exkursionen und Workshops zu den Themen Wirtschaft, Ökologie, Soziales und Mobilität wurden den über 700 Teilnehmenden seit dem 28.12. geboten. Thomas Pettinger vom Organisationsteam, das aus Mitgliedern der BUNDjugend, der Naturschutzjugend und freien Umweltprojektwerkstätten besteht, bedauert, daß der Kongreß nicht von ideologischen Kontroversen verschont blieb. Den OrganisatorInnen wurde ein teilweise unkritischer Blick vorgeworfen: So werde nicht thematisiert, daß in der auf der UNO-Umweltkonferenz in Rio ausgearbeiteten Agenda 21 die Nutzung von Atomkraftwerken und Gentechnik befürwortet wird.
In der inhaltlichen Gestaltung waren die OrganisatorInnen nicht ganz frei. Per Fax drohte das Bundesumweltministerium im Dezember mit der Streichung der Zuschüsse von 150.000 Mark, weil die vom Verfassungsschutz beobachtete anarchistische Publikation graswurzelrevolution einen Arbeitskreis über gewaltfreien Widerstand leiten wollte. Um den Kongreß nicht zu gefährden, wurden die AnarchistInnen ausgeladen. Auf dem Kongreß setzte es dafür immer wieder Kritik: Die VeranstalterInnen hätten sich zu wenig gegen die Eingriffe gewehrt.
Doch die OrganisatorInnen werden im nächsten Jahr ohnehin auf die Gelder verzichten müssen. „Es ist fraglich, ob es den JUKß in der bisherigen Form weiter geben wird“, meint Pettinger. Doch nicht wenige KongreßteilnehmerInnen sehen darin eine Chance. „Für einen JUKß ohne Staatsknete und Zensur!“ heißt es in der Kongreßzeitung. Peter Nowak
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