piwik no script img

Bremen spitze: 3.000 Mark pro Nase

■ Niemand bekommt mehr Geld vom Bund und anderen Ländern / Auch Hessen will nicht mehr zahlen / Debatte über den Länderfinanzausgleich zielt auch auf die Sanierungsverhandlungen

3.000 Mark pro Einwohner hat das Bundesland Bremen im Jahe 1996 von den anderen Bundesländern als „Länderfinanzausgleich“und aus den Töpfen des Bundes als Bundesergänzungszuweisungen erhalten. Bremen steht damit an erster Stelle aller Bundesländer, wenn es um die relative Finanzausstattung geht. „Übernivellierung“nennen die Ministerpräsidenten aus Bayern und Baden-Württemberg das und wollen dagegen zu Felde ziehen; in seiner Neujahrsansprache hat der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) angekündigt, seine rotgrüne Landesregierung werde sich den Süddeutschen anschließen.

Was für den Bremer Finanzsenator Hartmut Perschau „unverständlich“ist, läßt sich mit nackten Zahlen leicht erklären: Nach dem komplizierten, mehrstufigen Finanzausgleich durch Bund und Länder, der Bremen (dank der Sanierungs-Milliarden) den Platz eins in der anteiligen Finanzverteilung der Länder bescherte, rutscht Bayern in der Finanzkraft pro Einwohner von Platz 4 auf Platz 13, Hessen von Platz 2 auf Platz 15, Baden-Württemberg von Platz 5 auf 16. Diese Tabelle erklärt die Verärgerung der Geberländer. Hamburg (von Platz 1 auf Platz 8) hat allen Grund, sich anzuschließen. Und der große Gewinner, Berlin (stieg Platz 7 auf Platz 2 direkt hinter Bremen auf), wehrt sich verständlicherweise wie Bremen.

„Unverständlich“ist der Vorstoß der Bayern und der Hessen also keineswegs, wenn man Verständnis dafür hat, daß die „Geberländer“die Gesamtsumme der Finanzströme, egal ob sie als Länderfinanzausgleich oder Bundesergänzungszuweisung gegeben werden, schlicht zusammenrechnen. Und selbstverständlich hat die Bundesregierung im vergangenen Herbst, als Bremer Forderungen nach Sanierungs-Ergänzungszahlungen debattiert wurden, den schwarzen Peter weitergeschoben und gefragt, wie die „reichen“Länder sich beteiligen wollten.

Die aber haben eigene Finanzprobleme und können die Transferzahlungen immer weniger vor ihren eigenen Wählern rechtfertigen. Mit seinen 3.000 Mark pro Nase lag Bremen im Jahre 1996 sogar deutlich über den ostdeutschen Ländern (Durchschnitt bei 2.500 Mark pro Kopf). Die Bayern „bezahlten“dafür pro Nase 560 Mark, die Hamburger übrigens 625 Mark.

Die „Geberländer“wissen auch, daß der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne erst zum Jahre 2004 neu zur Debatte steht. „In diesem Jahr stehen Verhandlungen über die Bundesergänzungszuweisungen an“, erklärt die Sprecherin des Bayerischen Finanzministers den Zeitpunkt der Offensive. Bayern will um keinen Preis in den anstehenden Gesprächen um neue Ergänzungszuweisungen an Bremen (und das Saarland) etwas drauflegen, das ist – für Bremen – die Botschaft des süddeutschen Vorstoßes.

In einem Gutachten haben sich Bayern und Baden-Württemberg zudem eine spezielle Argumentationshilfe bestellt, um Bremen in die Zange zu nehmen: „Ohne einen ... deutlich verschärften Eingriff in die Haushaltautonomie durch den Zwang zu weiteren Einsparungen dürfte die Gewährung weiterer Ergänzungszuweisungen sogar unzulässig sein“, schreibt der Gutachter Prof. Arndt aus Mannheim, „da sich andernfalls keine Überwindung der Haushaltsnotlage abzeichnet“. Eine „permanente Unterstützung nicht überlebensfähiger Gebietkörperschaften“, egal ob aus Länderfinanzausgleich oder über Bundesergänzungs-Zahlungen, sei mit der Verfassung nicht vereinbar, denn „bundesfreundliches Verhalten“sei nicht nur für die potentiellen Geberländer verpflichtend, sondern auch für die Nehmer.

Arndt beschreibt „drei Stufen“des Handelns: Erst müsse eine Sanierungshilfe gewährt werden (was 1995-1998 passiert ist). Wenn die nichts genützt hat, stünde die Länder-Fusion an. Und wenn die nicht möglich sein sollte, weil das Volk nicht zustimme, dann „wäre es u.a. möglich, die Verpflichtungen von Bund und Ländern zur Unterstützung des nicht lebensfähigen Landes zu kürzen, um so die betreffende Landesregierung und Volk selbst die Konsequenzen ihres Entschlusses der Eigenständigkeit tragen zu lassen“. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen