: „Nicht nur gegen bare Münze helfen“
Richtungsstreit bei der Johanniter Unfallhilfe führt zu Rücktritten ■ Von Kai von Appen
Bei der Johanniter-Unfallhilfe in Hamburg brodelt es: Unter haupt- und ehrenamtlichen HelferInnen ist es zu heftigen Disputen über den künftigen Weg der gemeinnützigen Hilfsorganisation gekommen. Vor wenigen Tagen ist zudem, wie erst jetzt bekannt wurde, die gesamte Pressestelle zurückgetreten. Ohne öffentliche inhaltliche Begründung haben zum Jahreswechsel Matthias Lange und sein „Presse-Team“von vier haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen das Handtuch geworfen.
Der Regionalverband Hamburg mit rund 170 hauptamtlichen sowie fast 450 ehrenamtlichen HelferInnen engagiert sich in vielen Bereichen: Krankentransporte, Essen auf Rädern, sozialer Haus- und Krankenpflegedienst, Breitenausbildung und Erste Hilfe-Schulungen, Sanitätsdienste bei Großveranstaltungen und -konzerten, Altenbetreuung, Katastrophenschutz und Auslandshilfe. In Hamburgs Süden unterhalten die Johanniter überdies eine Rettungswache.
Wie bei jeder Hilfsorganisation nagt der soziale Kahlschlag auch an der Substanz der Johanniter. „Zum Beispiel die Pflegesätze reichen nicht aus, um die Kosten in Kranken- und Altenpflege tatsächlich zu decken“, so ein Johanniter zur taz, der ungenannt bleiben möchte. Daher werden auch die Johanniter genötigt, „Spenden- und Fördergelder“in den laufenden Betrieb zu pumpen. Und da setzt die Kritik der Opposition an.
Sie fordert mehr Förderung der „sozialen Arbeit vor Ort“durch die „Dezentralisierung der Tätigkeiten“. Dazu seien Investitionsmittel für die Gründung eigener Ortsverbände – wie vom Lange-Team im Oktober beantragt –, die Bereitstellung von Räumen und eine höhere Subventionierung der ehrenamtlichen Arbeit notwendig. Das Spendengeld sollte auch dazu genutzt werden, vielleicht mal zehn Essen auf Rädern umsonst an Bedürftige auszugeben.
Doch jede Initiative, „die sich nicht lohne“, werde vom Vorstand „abgeblockt“, so der Vorwurf des Johanniters. Der „Idealismus“vieler Helfer verpuffe, „ehrenamtliche Arbeit wird unmöglich.“Die KritikerInnen sehen zwar ein, daß auch der Hamburger Zentrale „das Wasser bis zum Halse steht“, dennoch dürfe nicht die Prämisse gelten, „nur gegen bare Münze zu helfen“.
Johanniter-Vorständler Thomas Österreich ist über den Rücktritt des Presse-Teams „verärgert“. Schließlich sei der interne Disput „kein richtiger Sandal“. Es habe lediglich Differenzen über die Gründung eines neuen Ortsverbandes gegeben. „Das Rausgehen in die Fläche“sei zwar ein positiver Ansatz, aber in den angespannten Zeiten müsse man fragen: „Wie wollen wir das bezahlen?“
Obwohl die Fronten derzeit verhärtet scheinen, hoffen auch die Johanniter-Oppositionellen auf eine einvernehmliche Lösung. Einen Termin für ein Schlichtungsgespräch gibt es aber noch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen