Aufgeregte Gespräche

■ Mexikos neuer Innenminister versucht eiligst, in Chiapas Erfolge zeigen zu können

Berlin (taz) – Hektische Aktivitäten entwickelt Mexikos neuer Innenminister Francisco Labastida. Anfang der Woche hatte er angekündigt, zu einem Treffen mit Subcomandante Marcos bereit zu sein, dem Sprecher der Zapatisten- Guerilla EZLN im Bundesstaat Chiapas. Dann verkündete er, in kürzester Zeit alle Organisationen in Chiapas entwaffnen zu wollen, und am Dienstag nun traf er sich mit der Cocopa, der aus Abgeordneten und Senatoren aller im Parlament vertretenene Parteien bestehenden Kommission, die auf Seiten der Regierung mit der Guerilla verhandelt.

Die Cocopa hatte sich durch die Regierung ausgehebelt gesehen, als diese sich weigerte, das in langwierigen Verhandlungen mit der Guerilla 1996 vereinbarte „Abkommen von San Andrés“ über Indianerrechte und Autonomie zu akzeptieren. Die Kommission fühlte sich brüskiert, und die Zapatistas verließen vor rund 15 Monaten den Verhandlungstisch, weil sie weitere Gespräche unter diesen Umständen für unsinnig hielten.

Labastida, der möglichst schnell Erfolge vorzeigen will, sprach nun seinerseits davon, die „Vorschläge von San Andrés“ bald umzusetzen – und zog sich damit schon wieder den Zorn der Cocopa zu, die das Abkommen nicht als bloße „Vorschläge“ behandelt wissen will.

Nach dem sehr erregt geführten Gespräch zwischen Cocopa und dem Minister am Dienstag legte die Kommission ein zweiseitiges Papier vor, das in acht Punkten die drängendsten Themen beschreibt, über die sich Cocopa und Minister einig werden müssen – vom Abkommen von San Andrés über die Frage der paramilitärischen Gruppen und die Aufklärung des Massakers von Acteal bis zur Frage der Regierung des Bundesstaates. Die Opposition fordert den Rücktritt des Gouverneurs Julio César Ruiz Ferro. Der gehört der Staatspartei PRI an und gilt vielen als direkter Drahtzieher des Massakers von Acteal, bei dem am 22. Dezember 45 Menschen ermordet wurden.

In Chiapas gingen unterdessen großangelegte militärische Aktivitäten des Bundesheeres weiter. Unter dem Vorsatz, die verschiedenen Gruppen entwaffnen zu wollen, dringt eine gewaltige Militärmacht in zahlreiche Dörfer ein. Erneut haben sich viele Familien auf die Flucht begeben. Die Hochburgen der zapatistischen Guerilla sind vom Militär quasi umstellt. Die Regierung dementiert zwar, daß die militärischen Aktionen die Ergreifung der Guerilla-Führung zum Ziel hätten, doch zahlreiche Anwohner berichten, die Soldaten hätten ständig nach Marcos gefragt. Wo dieser sich aufhält, ist nicht bekannt. Bernd Pickert