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Karl-May-Land liegt auf Eis

■ Sachsen gibt kein grünes Licht für geplanten Erlebnispark im Lausitzer Braunkohlerevier. Die Finanzierung ist zu wackelig

Hundert Jahre Bergbau haben die Lausitz geprägt. Aus Endmoränen und bewaldeten Dünen wurden Abraumhalden und Tagebaurestlöcher. Keine liebliche Landschaft, eher ein Sandkasten für einen Landschaftsarchitekten, der in seiner Jugend zuviel Indianerbücher gelesen hat.

160 Quadratkilometer dieser leergeräumten Landschaft sollen in der Tat zum Indianerland umgebaut werden. Die Ausschreibung für das beste Konzept eines Freizeitparks gewann Vanlangenaeker, ein belgischer Unternehmer in Sachen Massentourismus, mit feiner Witterung für Gewinn und Kundenwünsche.

Doch zunächst einmal hat das sächsische Wirtschaftsministerium für das „Karl-May-Land“ bei Hoyerswerda kein grünes Licht erteilt. Die Gesamtfinanzierung sei zu wackelig, so das Ergebnis eines am Dienstag vorgestellten Gutachtens. Soll heißen, staatliche Zuschüsse für das gut 400 Millionen Mark teure Projekt wird es nicht geben. Bis Anfang April darf der Tourismusunternehmer noch nachbessern, dann soll eine endgültige Entscheidung fallen.

Dabei klangen die Pläne so schön. Auch der Gutachter lobte die Projektidee als europaweit einmalig. Vanlangenaeker hat auf dem Reißbrett eine Mischung aus Wildwest-Romantik und Restlochlandschaft kreiert. 400.000 Touristen pro Jahr will er damit anlocken. Die wollen dann, so die hoffnungsvolle Rechnung, verköstigt, untergebracht und unterhalten sein. Die Gegend zwischen Senftenberg, Spremberg und Hoyerswerda könnte so wieder in Schwung kommen.

500 Arbeitsplätze sollen im Karl-May-Land entstehen, noch einmal so viele drumherum. Schon der Aufbau von „West Town“, „Military Fort“, „Covernors Castle“, eines „Western-Erlebnisbades“ sowie von Museen, Saloons und Ferienapartments würde einige Arbeit machen. Das Verkehrsproblem würde ökologisch, original nach Manier des 19. Jahrhunderts gelöst werden: mit Pferden, Kutschen und Eisenbahnen.

Doch die Suche nach dem nötigen Geld zieht sich schon seit Jahren hin. Mal fand sich ein Investor, wollte aber nicht genannt sein, dann verschwand er wieder, als klar war, daß die Fördergelder nicht so üppig fließen würden wie gedacht. Dann gründete sich ein Fonds, dessen Entstehung nicht weniger nebelhaft ist und der offenbar auch nicht die versprochenen Gelder aufbringen konnte.

Eine Studie der European Tourism Coordination Center (ETCC), eben jener Gesellschaft, deren Managing Direktor Vanlangenaeker ist, verheißt kräftigen Zuspruch für das Vorhaben. Doch Vorsicht ist angeraten. Zwar ergab eine Umfrage unter europäischen Touristikunternehmen ein erfreuliches Interesse. Die Lausitz liegt jedoch am Rand der EU, und es dürfte große Anstrengungen erfordern, um die Unionsbürger an all den Disneylands und Erlebniscentern vorbeizulotsen und ausgerechnet hier landen zu lassen. Aus Polen und Tschechien jedenfalls sind eher Konkurrenten um die Billigjobs zu erwarten als zahlungskräftige Urlauber.

Dabei ist keine Alternative für die wirtschaftliche Erholung der Lausitz in Sicht. Die Arbeitslosenquote in der Südostecke Deutschlands ist mit 25 Prozent rekordverdächtig, und die Stadtverwaltung der „2. Sozialistischen Wohnstadt“ Hoyerswerda hat angesichts eines erheblichen Wohnungsleerstands das erste Wohnungs-Abbau-Programm Deutschlands aufgelegt. Weite ist bekanntlich nötig zum Reiten und zum Träumen. Was kann da günstiger für ein Karl- May-Land sein als eine Gegend, aus der es schon viele auf der Suche nach einer Existenz hinausgetrieben hat? Klaus Muche

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