piwik no script img

Strafanzeigen wegen mißlungener Abtreibung

■ Oldenburger Arzt mißlang Abtreibung: Das Kind überlebte / Bisher drei Strafanzeigen / Staatsanwaltschaft leitet wegen des Verdachts der Körperverletzung Ermittlungsverfahren ein

Köln/Oldenburg. Immer mehr gesellschaftliche Gruppen schalten sich in den Oldenburger Abtreibungsskandal mit ein. Die mißlungene Abtreibung eines behinderten Kindes in Oldenburg hatte bereits für Schlagzeilen und eine erneute Diskussion um den Paragraphen 218 gesorgt. Einem Oldenburger Arzt war die Abtreibung mißlungen: Das Kind überlebte trotz des Eingriffes. Gegen den Mediziner liegt nun bereits die dritte Strafanzeige vor.

Die Juristen-Vereinigung Lebensrecht mit Sitz in Köln teilte am Wochenende mit, daß sie den verantwortlichen Arzt der versuchten vorsätzlichen Tötung durch Unterlassen beschuldigt. Nach Strafanzeigen von den Eltern des Kindes und einem CDU-Parlamentarier hatte die Staatsanwaltschaft Oldenburg ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Körperverletzung eingeleitet.

Die Eltern wollten das Kind, bei dem das Down-Syndrom („Mongolismus“) diagnostiziert worden war, noch in der 25. Schwangerschaftswoche in der Städtischen Frauenklinik Oldenburg abtreiben lassen. Der Junge überlebte den Eingriff jedoch. Wie bekannt wurde, war das Kind allerdings erst Stunden nach der Abtreibung in der Klinik medizinisch versorgt worden.

Der Fall ist nach Ansicht der Juristen-Vereinigung eine Folge der Neuregelung des Paragraphen 218 vom Oktober 1995. Danach sei es nun erlaubt, behinderte Ungeborene aufgrund sozialmedizinischer Indikation auch noch in einem späten Stadium der Schwangerschaft abzutreiben. Der Gesetzgeber habe solche Fälle bewußt in Kauf genommen.

Der Bundestag habe damals die Abtreibung Behinderter ermöglicht, obwohl er habe wissen müssen, daß die Kinder „nur deshalb nicht überleben, weil sie unversorgt liegengelassen“würden. Eine Änderung des Paragraphen 218 sei daher dringend nötig.

Am vergangenen Wochenende hatten sich auch Vertreter der deutschen Ärzteschaft für eine Verschärfung der sogenannten Fristenregelung ausgesprochen. Abbrüche sollten nur noch in dem Stadium der Schwangerschaft erlaubt sein, in dem der Embryo außerhalb des Mutterleibes noch nicht lebensfähig sei. Nach Experten-Angaben überlebt rund ein Drittel der nach der 20. Woche abgetriebenen Föten den Eingriff.

Die Anwältin der Eltern fordert von den verantwortlichen Ärzten und den Versicherungen nach dpa-Informationen wegen des Vorfalls nun Schadenersatz. Sie macht geltend, daß die Schwangere nicht über das Risiko aufgeklärt worden sei, daß der Fötus den Abbruch überstehen könnte. Ihrer Auffassung nach hätten die Ärzte nur davon gesprochen, daß das Kind eventuell noch kurze Zeit leben würd. Erst am Morgen nach der Abtreibung hätten die Eltern erfahren, daß das Kind noch lebe, erläuterte die Anwältin.

Diese Vorwürfe hat der Leiter der Frauenklinik jedoch bestritten. Professor Dr. Detlev Mühlenstedt hatte betont, die Eltern seien vor Zeugen über das Risiko des Eingriffes aufgeklärt worden. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen