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Masterplan verlärmt Ruhezonen der City

■ Ein Gutachten zur Wirkung des Masterplans auf die Verkehrsentwicklung in der Innenstadt stellt fest: Hauptstraßen werden entlastet, in Wohngebieten steigen Verkehr und Lärm an. Nächtliche Ruhestörung

Eine Realisierung des Masterplans zur Neugestaltung der historischen Mitte Berlins hat gravierende Folgen für die Verkehrsbelastung der City. Durch die vom „Planwerk Innenstadt“ geforderte Verkleinerung der großen Autoschneisen wird sich die Verkehrsbelastung dort zwar verringern, doch der Autolärm und die Abgase werden in die jetzt noch ruhigen Wohnstraßen und in die Gebiete am Rande der Innenstadt verdrängt. Das ist das Ergebnis einer „Wirkungsanalyse Planwerk Innenstadt“ der Berliner Verkehrsgutachterfirma IVU, das der taz vorliegt.

Die Studie über „verkehrliche Bewertung und Kfz-bedingte Lärmbelastungen“, die von der Verwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz in Auftrag gegeben wurde, kommt zu dem Schluß: „Die Lärmbelastung im Untersuchungsgebiet steigt in den kommenden Jahren im innerstädtischen Bereich weiter an.“ Gründe dafür seien die im Planwerk Innenstadt vorgesehene weitere Verdichtung durch Neubauten, eine weiteres Anwachsen des Verkehrs und eine Zunahme der Arbeitsbevölkerung. Die im Planwerk geforderte flächenhafte Einführung von Tempo 30 könne diese Zunahme „teilweise reduzieren“. Doch durch die Verlagerung des Durchgangsverkehrs „steigt die Lärmbelastung in den Bezirken Tiergarten, Wedding, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg und Schöneberg.“

Hintergrund der Diskussion ist ein grundlegender Wechsel in der Verkehrspolitik, der dem Planwerk zugrunde liegt. Bisher wird der Hauptanteil des Verkehrs auf den Hauptstraßen gebündelt und so weitgehend von den Tempo-30- Wohngebieten der Innenstadt ferngehalten. Damit soll vor allem nach dem Willen des Masterplaners Dieter Hoffmann-Axthelm Schluß sein: Die extrem verlärmten Gebiete an den Hauptstraßen sollen entlastet, dafür die Wohnquartiere für den Durchgangsverkehr wieder geöffnet werden. „Die Leute sollen mit dem Auto in die Stadt fahren, aber sie sollen es ruhiger und zivilisierter als bisher tun“, meint Hoffmann-Axthelm. Mit Ausnahme weniger Hauptstraßen soll in der Innenstadt flächendeckend Tempo 30 gelten.

Wo der gebremste Verkehr bleibt, hat das IVU errechnet: „Große Teile des weiträumigen Durchgangsverkehrs werden auf Straßen außerhalb des Untersuchungsgebietes verdrängt“, schreiben die Gutachter. Die Blechlawine landet „auf dem inneren Ring (also etwa der Trasse entlang des Landwehrkanals), aber auch in den angrenzenden, dicht bebauten Siedlungsbereichen zwischen dem inneren Stadtring und dem S-Bahn-Ring“. Dadurch, so die Gutachter, nehme der Kfz-Verkehr im Gebiet des Masterplans um 15 Prozent auf 1,1 Millionen Fahrten täglich ab, in der City Ost sogar um 20 Prozent. Zudem führe Tempo 30 zu einer „deutlich höheren Reisezeit“ durch die Innenstadt.

Der öffentliche Nahverkehr müsse so gefördert werden, daß er 80 bis 90 Prozent des Personenverkehrs in der Innenstadt abwickeln könne, fordern die Gutachter. Dazu gehörten leistungsfähige Tramstrecken und der allgemeine Vorrang für Bus und Bahn gegenüber dem Auto.

Große Teile der Innenstadtbevölkerung zahlen für diese Verkehrspolitik mit starker Beeinträchtigung durch Verkehrslärm: So müssen nach der Prognose des IVU etwa 30 Prozent der Innenstadtbevölkerung tagsüber einen Lärm von mehr als 65 Dezibel ertragen, nachts liegt die Belastung von fast 40 Prozent der BewohnerInnen über dem Orientierungswert von 55 Dezibel. Laut Berechnungen von Gesundheitspolitikern sind diese Werte bereits zu hoch: Sie bedeuten einen Anstieg der Herzinfarkte um 20 Prozent.

Der bündnisgrüne Bürgermeister von Kreuzberg, Franz Schulz, will sich bei einer Sitzung mit den zuständigen Bürgermeistern und der Umweltverwaltung am 19. Januar deutlich gegen diese Planung aussprechen: „Die Öffnung der Wohnquartiere für den Verkehr erreicht genau das Gegenteil dessen, was der Masterplan will: Die Innenstadt wird unattraktiver und die Menschen ziehen weg.“ Bernhard Pötter

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